Die Bauwende in der Praxis: Kreislaufwirtschaftliche Lösungen in der Bauwirtschaft


1. April 2025 | Von Gerrit Neuhaus, Susann Feuerschütz

An Tag 4 unserer Reise ging es nach Nordrhein-Westfalen ins Münsterland: In Heiden besuchten wir die Bauunternehmensgruppe Brüninghoff Group. Themen an diesem Tag waren die Bauwende und kreislaufwirtschaftliche Lösungen für den Gewerbebau bzw. größere Holz-Hybrid Bauprojekte sowie der Besuch eines modernen Werks für Betonfertigteile.

Tagebucheintrag 5.2.2025, Heiden: Auf die Zukunft bauen

Unser letzter Reisetag begann in einer kleinen Reisegruppe im münsterländischen Heiden in einer Ausstellung: Das Zukunftsforum ist ein nachhaltig gebautes Gebäude in Fußlaufweite zum neuen Betonfertigteilwerk der Brüninghoff Group.

Das Zukunftsforum beinhaltet eine professionell kuratierte Dauerausstellung mit dem Titel „Die Bauwende fest im Blick“ zu vier Zukunftsthemen. Diese sind für den planenden, produzierenden und bauausführenden Generalbauunternehmer wie für die gesamte Branche besonders wichtig: Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft, Digitalisierung und Industrialisierung.

Die Ausstellung richtet sich an die Kundschaft, Partner*innen, Hochschulen und Studierende, die interessierte Öffentlichkeit und nicht zuletzt auch an die Kolleginnen und Kollegen bei Brüninghoff. Dabei ist das Ziel: Einblicke in die Ansätze und Lösungen für eine nachhaltige, ressourceneffiziente und kreislauforientierte Bauwirtschaft

Was steckt hinter R-Beton, der Hybridbauweise und der Bauwende?

Die Reisegruppe mit Jan Wenker im Zukunftsforum: Hier gab es zirkuläre Baustoffe zum Anfassen.

Dr. Jan Wenker, Group Director Sustainability & Innovation, bei der Brüninghoff empfing uns herzlich im Zukunftsforum.

Er startete seine Führung mit einer der wohl bekanntesten zirkulären Lösungen im Baubereich: R-Beton. Mit anderen Worten: Hier wird bereits gebrauchter Betonstein zerkleinert und aufbereitet, um dann wieder als Baustoff verwendet zu werden.

Die Herstellung von Beton ist bekanntermaßen ressourcen-, energie- und CO2-intensiv und gleichzeitig ist der Betoneinsatz in der heutigen Bauplanung nicht wegzudenken.

Brüninghoff ist als Generalunternehmer mit Fokus auf Lebenszyklusbetrachtung seiner Neubauten dafür sehr sensibel: Bei Recycling-Beton wird eine rezyklierte Gesteinskörung verwendet. So können bis zu 45% der Primärrohstoffe Kies und Sand durch das Rezyklat ersetzt werden. Brüninghoff ist in diversen Forschungsprojekten beteiligt, um diese Ansätze weiterzuentwickeln und zukünftig noch zirkulärer zu werden.

Wir brauchen praxistaugliche Lösungen, um in der Lebenszyklusbetrachtung von Gebäuden nachhaltiger und kreislauffähiger zu bauen. Außerdem sollten uns Gebäude, die nicht mehr umgebaut oder saniert werden können, als Rohstofflieferanten dienen.

Dr. Jan Wenker

Der innovative Verbinder ermöglicht eine schnelle Demontage.

Ebenfalls beeindruckt waren wir von einer praktischen Lösung aus dem Hybridbau. Beim Hybridbau werden unterschiedliche Baumaterialien im Tragwerk von Gebäuden kombiniert. Brüninghoff produziert sogenannte HBV-(Holz-Beton-Verbund-) Decken. Hier wird Stahlbeton mit Holzelementen fest verbunden. Dies deutlich ressourceneffizienter als z. B. massive Vollbetondecken zu produzieren.

Mit Blick auf den Lebenszyklus könnte der feste Verbund jedoch später zur Herausforderung werden. Hierfür entwickelte man in Kooperation mit Reisser Schraubentechnik eine Lösung. Spezielle Verbinder ermöglichen das schnelle Auffinden und Demontieren der Verschraubung nach dem Einbau.  

Bauwende, sonst Ende!

Im Anschluss stellte uns Jan Wenker mit einer Präsentation die Geschichte, Entwicklung und aktuelle Projekte der Brüninghoff Group vor. Vor 50 Jahren als Bauschreinerei gegründet, bietet die Unternehmensgruppe mit ca. 700 Mitarbeitenden an 7 Standorten vielfältige Produkte und Dienstleistungen im Baubereich.

Die Palette der Produkte reicht von schlüsselfertigen Gebäuden für Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft bis hin zu vorgefertigten (hybride) Elementen aus Holz, Metall, Beton.

Zudem sind Beratung und Planung Teil der Firma, auch im Bestand oder z. B. in Fragen der Energie rund um Gebäude.

Dr. Jan Wenker stellt das Unternehmen Brüninghoff vor.

Bei dem Vortrag über die zirkuläre Ausrichtung des Unternehmens wurden drei Dinge deutlich:

Erstens: Die Bauwende ist für Brüninghoff keine Möglichkeit oder Innovationschance, sondern eine grundlegende Notwendigkeit, auf die das gesamte Geschäftsmodell ausgerichtet wird. Die Circular Economy ist mit Blick auf Ressourcenschutz ein wichtiger Bestandteil der Wende.

Diese Transformation bedeutet viel kreatives Denken.

Es gibt bei Brüninghoff einen motivierenden Antrieb durch die Geschäftsleitung. Die Brüninghoff Teams überzeugen ihre Kundschaft aktiv, neue Lösungen umzusetzen.

In nationalen und internationalen Projekten wird ständig dazugelernt. Frei nach ihrem Motto: „Challenge Accepted“.

Das hybride Wohnhochhaus „Haut“ errichtete Brüninghoff als Teil eines internationalen Projektkonsortiums in Amsterdam. Mit dabei: Die HBV-Decken.

Zweitens: Man sieht hier Digitalisierung als Grundlage, die Bauwende in der Schnelligkeit, Professionalität und Kollaboration umzusetzen. Jan Wenker zeigte beispielsweise, wie Open-Source Building-Information-Modelling dabei hilft, alle relevanten Informationen digital zu bündeln bzw. in der Planung zu bearbeiten.

In einem Verbund-Forschungsprojekt zum zirkulären Design von Gebäuden arbeitet Brüninghoff daran, mithilfe von Softwareeinsatz belastbare Aussagen zur Kreislauffähigkeit von Gebäudeentwürfen in frühen Planungsphasen treffen zu können. Dies soll Planende aber auch Bauherren unterstützen, künftig fundierte Designentscheidungen zu machen.

Drittens: Durch die vielen Forschungs- und Entwicklungsprojekte und die direkte Pilotumsetzung in der realen Umgebung kann das Unternehmen schnell marktfähige, zirkuläre Lösungen wie z. B. vollständig rückbaubare HBV-Decken entwickeln. Wir fanden es eindrucksvoll, wie die Firma Deckenelemente ver- und rückbauen, wiederverwenden und am Lebensende sortenrein trennen und recyceln kann.

Das Betonfertigteilwerk

Der Nachmittag endete mit einer Führung durch das neue Betonfertigteilwerk. Hier hat uns Eckhard Judith, Projektleiter Innovation und Betonentwicklung, die praktische Umsetzung der Lösungen in der Produktion nähergebracht. Wir kamen beispielsweise direkt in Berührung mit den Fortschritten bei der Nutzung von Sekundärbaustoffen.

In dem neuen Werk kann Brüninghoff nun deutlich größere Stützen, Vollbetonwände und hybride Bauelemente herstellen, als bisher. Dies geht serienmäßig, verwendet wird recycelte Gesteinskörnung und eine CO2-geminderte Betonrezeptur. Möglich ist eine Länge bis zu 34 Meter pro Bauteil.

© Brüninghoff: Der Beton-Wertstoffzyklus des Betonfertigteilwerkes

Auch beim Bau der Produktionsstätte dachte die Unternehmensgruppe an Nachhaltigkeit. Beispielsweise wurden die Außenwände aus Holztafelbauelementen hergestellt , mit einer Verkleidung aus dunklem Trapezblech nach außen – für den Wetterschutz.

Außerdem war die Kreislauffähigkeit sehr wichtig: Die Halle hat einen Madaster-Gebäudepass, einen digitalen Gebäuderessourcenpass, und diverse Umweltzertifizierungen. Die Energie kommt aus Photovoltaik bzw. 100% Ökostrom, eine riesige Wärmepumpe steht auf dem Vorplatz und das Brauchwasser beziehen sie aus einer Regenwasserzisterne.

Resümee

Wir haben viel gelernt an diesem Tag und sind sehr dankbar nach Hause gefahren.

Auf dem Rückweg haben wir Reiseleitungen dann noch lange über Geschäftsmodelle und Potenziale diskutiert, mit dem Referenten für Kreislaufwirtschaft des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft Felix Arnold.

Uns hat diese Reise auch persönlich bewegt und wir hoffen, das auch dieses Tagebuch dazu beiträgt, Sie zu inspirieren.

Wir möchten allen Beteiligten und dem Unternehmen für diesen Tag danken.

Ein paar Impressionen des Tages:

Zu den anderen Tagebucheinträgen der Reise in die Kreislaufwirtschaft Nordwest geht es hier.

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