Kreislaufwirtschaft im Mittelstand: So gelingt der Einstieg


1. April 2025 | Von Gerrit Neuhaus, Susann Feuerschütz

Willkommen an Bord unserer gemeinsamen Entdeckungsreise in die Welt der Kreislaufwirtschaft! Gleich am ersten Tag unserer Expedition sind wir in einer Videokonferenz gemeinsam in die grundlegenden Prinzipien und in die Möglichkeiten, die die Kreislaufwirtschaft bietet, eingetaucht. Dabei haben wir erkundet, wie sich der regulatorische Rahmen aktuell entwickelt, welche Chancen in „neuen“ Technologien liegen und wie Unternehmen ganz praktisch ihr Geschäftsmodell kreislauffähig machen können.

Tagebucheintrag 22.01.2025, Videokonferenz: Auftakt der Reise in die Kreislaufwirtschaft Edition Nordwest

Die Nachhaltigkeitsreise ist eine Kooperation der unten aufgeführten Partner*innen und Unternehmen. Wir danken für die Unterstützung der vielen inhaltlichen Partner*innen aus der Praxis sowie der Unternehmen, die ihre Tore für uns öffnen und die diese Reise in die Kreislaufwirtschaft erst möglich machen.

Kooperationspartner:

Logo des Bundesverbands für nachhaltige Wirtschaft e.V.

Highlights der Veranstaltung

Wo kommen wir her und wo wollen wir hin?

Susann Feuerschütz, und Gerrit Neuhaus eröffneten den Tag mit einem Überblick über die Reise in die Kreislaufwirtschaft im Süden Deutschlands im Frühjahr 2024. Sie holten die Teilnehmenden an Bord und erzählten über die Idee der Weiterreise:

Wir werden echte Hidden Champions der Kreislaufwirtschaft besuchen und tiefer in Branchen hineinschauen: die Finanzbranche, das Bauwesen, der Maschinenbau und die Elektronikbranche.

Susann Feuerschütz, Mittelstand-Digital Zentrum Zukunftskultur

Doch zunächst ging es darum, den aktuellen Stand der Kreislaufwirtschaft bzw. Circular Economy in Deutschland anzuschauen:

Aktuelle Regulatorik

Felix Arnold, Referent für Kreislaufwirtschaft beim Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW) gab in seinem Impuls „Kreislaufwirtschaft im Mittelstand 2025“ ein Update über die aktuelle Gesetzeslage und verwies auf kommende Regulatorik und auf die damit verbundenen Chancen für Wirtschaft und Gesellschaft:

Felix Arnold, Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft

Durch Kreislaufwirtschaft können wir die Transformationskosten um 35-55% bis 2045 senken. Zudem senken Unternehmen ihre Abhängigkeit von teuren und knappen Primärrohstoffen.

Felix Arnold, BNW e.V.

Der Kreislaufwirtschaftsexperte machte deutlich: Die EU gibt den regulatorischen Rahmen für Kreislaufwirtschaft vor. Er zeigte eindrücklich, dass es durch Brüssel bereits sehr viele Strategien, Richtlinien und Verordnungen gibt und noch mehr im gesetzgebenden Prozess ist.

So ging er beispielsweise auf den kommenden Circular Economy Act ein sowie auch auf den Clean Industrial Deal. Am Beispiel der im Juli 2024 in Kraft getretenen Ökodesignverordnung (VO (EU) 2024/1781) ging er kurz auf den Digitalen Produktpass ein, der bis Ende 2025 standardisiert werden soll. Er erklärte: Gerade Unternehmen, die diese sinnvolle Maßnahme umsetzen müssen, sollten aus Sicht des BNW eine Form der Unterstützung bekommen.

Der Digitale Produktpass wurde auf unserer Reise an Tag 3 noch einmal ein größeres Thema. Hierzu gibt es im Tagebuch mehr Informationen, auch wie das Unternehmen Stannol dies praktisch umsetzt.

Ein aktuelles Beispiel für nationale Regulatorik war die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie, die Felix Arnold vorstellte. Sie soll rohstoffpolitische Strategien bündeln. Jedoch sei sie rechtlich nicht bindend, führte er als Problem an. So müsste man abwarten, welche Vorhaben aus der Strategie die neue Bundesregierung umsetzt.

Weitere spannende Infos zu aktueller Regulatorik, eine politische Einschätzung der Wahlprogramme einiger ausgewählter Parteien sowie zwei Praxisbeispiele des BNW findest du im folgenden Video:

Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung

Janna Prager, Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production

Janna Prager, die als Expertin für Digitalisierung und Nachhaltigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen beim Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP) und beim Mittelstand-Digital Zentrum WertNetzWerke arbeitet, gab uns einen großen Überblick über die Vielfalt digitaler Tools für die Zirkuläre Wirtschaft. Sie erläuterte, wie kleine und mittlere Unternehmen diese erfolgreich in der Circular Economy einsetzen können.

Sie ging u.a. auf die Möglichkeiten additiver Fertigung / 3D Druck ein. Diese Art zu produzieren sei besonders materialsparend und leicht im Bereich kleinerer Reparaturen einzusetzen, indem bspw. Ersatzteile gedruckt werden können.

Künstliche Intelligenz könne in der Circular Economy sinnvoll in vielen Bereichen eingesetzt werden. Der Bereich vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) ist ein Einsatzbereich oder auch könnte das Geschäftsmodell von Reparaturservices durch Chatbots leichter umgesetzt werden. Der Bereich der Predictive Analytics (komplexe Berechnungen und Entscheidungshilfen) hilft beispielsweise im Handel, um genauere Verkaufsplanungen zu machen.

Ebenfalls nannte Janna Prager den sicheren Datenaustausch, der in Wertschöpfungsnetzwerken immer wichtiger werde, und der z.B. durch Technologien wie z.B. Blockchain möglich würde. Die Vernetzung von Geräten, Maschinen, das Internet of Things, könne z.B. sehr gut im Bereich der Qualitätssicherung oder Energieoptimierung genutzt werden.

Robotik sieht Janna Prager vor allem im Produktionsbereich relevant, z.B. in der Steigerung von Produktivität und Effizienz. Auch Augmented und Virtual Reality haben verschiedene Einsatzmöglichkeiten, von Produktion bis hin zum Handel.

Der Einsatz von Technologien hilft ungemein bei der Reduzierung von Materialeinsatz und bei der Bekämpfung von Abfall.

Janna Prager, CSCP

Sehr große Chancen sieht sie beim Digitalen Produktpass (DPP), der für große Transparenz entlang der Lieferkette sorgt. Der DPP ermöglicht oft erst Reparaturen bzw. Demontierungen und die Weiterführung im Kreislauf. An Tag 3 gab es hierzu durch Jannas Kollegen Stephan Multhaupt einen Vortrag, den man sich hier anschauen kann.

Sehr anschaulich schloss Janna Prager ihren Impuls mit einem Überblick der Relevanz dieser Vielzahl von digitalen Tools entlang einer typischen Wertschöpfungskette.

Den gesamten Vortrag von Janna Prager erhältst Du in diesem Video:

Kreislaufwirtschaft in der Praxis: Erfahrungen aus der Praxis mit CIRCO

Die Effizienz-Agentur NRW, kurz efa, unterstützt als neutrale Einrichtung die Wirtschaft, konkret Unternehmen aus NRW, bei der Ressourcenschonung. Dies tut sie u.a. durch den Support bei der Entwicklung zirkulärer Geschäftsmodelle oder Produkte.

Birgitt Helms, Effizienz-Agentur NRW

Birgitt Helms, Beraterin im Bereich Ressourcenschonung von der efa, stellte das CIRCO Tool vor. Bei CIRCO wird eine Gruppe Unternehmen in einer Workshopreihe über 6 Wochen angeleitet. Sie entwickelt Ideen für die Circular Economy aus ihrem Geschäftsbereich und testet diese. Die CIRCO Workshopreihe ist ein von der TU Delft entwickelter und bei über 1.500 Unternehmen weltweit erprobter Ansatz, erzählte Birgitt Helms.

Die Zielgruppen, die die efa als einziger CIRCO-Hub in Deutschland bislang begleitet, sind Unternehmen aus der Industrie, dem Handwerk und dem Handel. Am Ende stehen konkrete Maßnahmen, die ein Unternehmen machen kann, sowie ein Aktionsplan inkl. einer Analyse der Rechtslage.

Besonders wichtig ist nach Birgitt Helms auch die Vernetzung von Unternehmen, die sie mit ihrem CIRCO Netzwerk auch anbieten:

Man kann nicht alleine zirkulär sein. Bei uns finden Unternehmen die Partner, die sie brauchen, um ihre Ideen für die Circular Economy in die Tat umzusetzen.

Birgitt Helms, efa

Wie so eine Idee entstehen kann, zeigte Birgitt Helms anhand der Phasen im CIRCO-Ansatz: In der 1. Phase Initiate untersuchen die Unternehmen ihre eigenen Wertschöpfungsketten nach Wertverlusten z.B. durch suboptimalen Ressourceneinsatz. Darauf aufbauend suchen die Firmen nach tollen Ideen, um diesen Wertverlustpunkten entgegenzuwirken. Sehr marktorientiert gehen die Unternehmen dann in eine Ideate-Phase: Sie überprüfen die Ideen hier mit Blick auf ihr Geschäftsmodell. In der 3. Phase, der Implementierung, geht es um Fragen rund um die Roadmap. Es geht um die Umsetzungsplanung von Maßnahmen und auch der Beantwortung der vielen organisatorischen und rechtlichen Fragestellungen.

Manchmal liegt die größte Umstellung zur Zirkularität in der Unternehmenskultur, dann braucht eine Firma anstelle einer technischen Unterstützung vielmehr Change Management Expertise.

Birgitt Helms, efa

Beispiele aus der CIRCO-Praxis

Die Firma Anker Solutions GmbH aus Bielefeld hat sich vorgenommen, Geldkassetten aus dem Einzelhandel wieder zurückzunehmen und aufzubereiten. Dies spart 60.000 Tonnen von dickem Kunststoff.

Aus Erkelenz kommt ein Beispiel der Firma Gillrath GmbH: sie stellen nun Big Bags auf Baustellen zur Verfügung, um Ziegelbruch sortenrein getrennt wieder rückzuführen und weiterzuverwenden. So verlieren sie das Material nicht an den gemischten Bauschutt. Hagemeister GmbH und Co. KG hat ein besonderes Verfahren entwickelt, wie Ziegelsteine mörtelfrei verbaut werden können und somit vollständig rückbaubar und wiederverwendbar werden.

Aus dem Gartenbau / Handel hatte die Firma Hans Hagemann und Co. KG aus Ochtrup die Idee, den Verschnitt, den es beim Stabmattenzaun-Sichtschutz gibt, weiterzunutzen und zu verkaufen, indem man die dünneren Streifen senkrecht, statt quer in den Zaun einfädelt. Obwohl es sich hier bereits um recycelten Kunststoff handelte, wird hier mehr Material im Kreislauf gehalten und durch den Verkauf im Online-Shop ein zusätzlicher Wert geschaffen.



Alles zum Thema CIRCO bzw. den ganzen Vortrag von Birgitt Helms findet ihr im folgenden Video:


Reflexion und Ausblick

Dieser erste Tag unserer Reise hat uns gezeigt, dass es viele Chancen für smarte zirkuläre Lösungen gibt. Das, was es braucht, ist neben der grundsätzlichen Motivation sicherlich Orientierung im rechtlichen und auch technischen Dickicht der Möglichkeiten (und ggf. auch Grenzen). Und es braucht natürlich auch Partner*innen und Wegbegleitungen, denn es geht nur gemeinsam. Insofern freuen wir uns sehr auf die kommenden Reisetage, bei denen wir Unternehmen kennenlernen, die ein großes Stück des Weges bereits gegangen sind.

Begleiten Sie uns weiter auf der Reise in die Kreislaufwirtschaft!

Digitalisierung, Unternehmenskultur und Kreislaufwirtschaft hängen eng miteinander zusammen. Dies erleben Sie an Tag 2 unserer Reise zur GLS Bank und zu LaserCladding Germany GmbH in Hamburg.

Sie möchten weitere Infos zu unserer Reise in die Kreislaufwirtschaft bekommen? Hier geht es zu unseren Tagebucheinträgen der Edition Nordwest.

Kontaktmöglichkeit

Gerrit Neuhaus

Gerrit.neuhaus@hnee.de

+49 3334 / 657 – 436

Susann Feuerschütz

Susann.feuerschuetz@hnee.de

+49 3334 / 657 – 341

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