Es geht weiter auf unserer Reise in die Kreislaufwirtschaft. Unser zweites Ziel führte uns zu der nachhaltigen Bank GLS Bank und dem mittelständischen Unternehmen LaserCladding Germany GmbH in Hamburg. Letzteres revolutionierte die industrielle Wiederaufbereitung metallischer Bauteile und verankert so Reparatur als ein äußerst erfolgreiches Geschäftsmodell .
Tagebucheintrag 28.01.2025, Hamburg: Damit es rund läuft – eine Frage des Geldes?
In einem sonnendurchfluteten Konferenzraum der GLS Bank mit Blick auf die wichtigsten Hamburger Sehenswürdigkeiten startete der zweite Tag unserer Reise. Susann Feuerschütz vom Mittelstand-Digital Zentrum Zukunftskultur begrüßte unsere Reisegruppe im Norden und im digitalen Raum herzlich.
Entspannt startete so ein Tag voller Ereignisse und Einblicke in die Welt der Finanzen und der R-Strategien in der praktischen Umsetzung.

Highlights der Veranstaltung
Weichen stellen für Kreislaufwirtschaft: Die GLS Bank
Kurz nach unserer Begrüßung der Teilnehmenden stellte uns Carolin Ewald von der GLS Bank Hamburg die Herangehensweise der bereits 1974 als erste sozial-ökologisch gegründete Bank.
Mit mehr als 1000 Mitarbeitenden, 7 Standorten in Deutschland und über 360.000 Kund*innen sind sie breit aufgestellt. Seit einem halben Jahrhundert bieten sie nachhaltige Finanzdienstleistungen im Privat- und Geschäftskundenbereich.
Das Angebot der GLS ist dem einer konventionellen Bank sehr ähnlich, sie ist eine klassische Universalbank. Ein wichtiger Unterschied ist, dass sie sechs Fokusbranchen identifiziert haben. Hier darf das Geld ihrer Kundschaft wirken.

Denn: hier sieht die GLS Bank besonders nachhaltige Wirksamkeit bzw. auch ihre ethischen Grundsätze abgedeckt: Erneuerbare Energien, nachhaltige Wirtschaft, Ernährung, nachhaltiges Bauen und Wohnen, Bildung und Kultur sowie Soziales und Gesundheit.
Mit Blick auf die steigenden Anforderungen an Unternehmen mit Bezug auf die Nachhaltigkeit, stellte Carolin Ewald die gesetzlichen, teils neuen Anforderungen und Regulatorik an Banken wie z.B. die EU-Taxonomie, vor. Die Finanzberaterin zeigte, wie die GLS Bank diese in der Praxis z.B. in der Kreditvergabe umsetzt. Und sie stellte vor, wie die GLS Bank im Austausch mit ihren Kund*innen Wirkungsmessungen durchführen sowie Nachhaltigkeitsrisiken erheben.
Mit Blick auf die Kreislaufwirtschaft betrachtet die GLS Bank den gesamten Lebenszyklus z.B. von Produkten, Bauprojekten. Je nach Fall und Finanzierungswunsch wird vor allem das Geschäftsmodell betrachtet.

Schnell kamen die Teilnehmenden ins Gespräch.
Sie diskutierten über das große Spannungsfeld von teils notwendiger Geschwindigkeit kundenseitig und den bankseitigen Prüfungsprozessen (die für alle Banken gelten).
Auch über Anreizsysteme der GLS Bank, noch nachhaltiger zu wirtschaften, wurde gesprochen.
Als Beispiel wurde genannt, dass die Zirkularität von Baustoffen über Zinsverbesserungen positiv beeinflusst werden kann. Viel diskutiert wurde über den Begriff Verantwortung und um ihre individuelle versus unternehmerische bis zur gesellschaftlichen Gewichtung.
Wir alle müssen Aufklärungsarbeit leisten, dass „Take, make, dispose“ kein zeitgemäßes Credo mehr sein kann.
Carolin Ewald, GLS Bank
Nicht nur reden, handeln:
Carolin Ewald stellte zwei positive Beispiele aus der Circular Economy vor, die durch die GLS Bank finanziert wurden:
Das Unternehmen Traceless gewinnt aus Reststoffen der Futtermittelproduktion Rohstoffe für die Herstellung eines Granulats. Damit kann es eine biobasierte Kunststoffalternative produzieren – ohne Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion.
Die GLS Bank finanzierte den Bau einer großen Demonstrationsanlage, mit denen das Start-up sein vielversprechendes Produkt, seine Produktion skalieren kann. Traceless hat sich vorgenommen, eine Million Tonnen Traceless Granulat bis zum Jahr 2040 zu produzieren.

Das zweite Beispiel, zerooo, ist ein Mehrwegverpackungssystem für Kosmetik- und Drogerieartikel. Das Ziel: Jede Flasche soll mindestens zehn Mal in den Kreislauf rückgeführt werden. Es gibt in der Praxis logistische Herausforderungen und viele Anforderungen ans Markenbranding der Kosmetikhersteller.
Reparatur als Chance begreifen lernen: LaserCladding Germany

Zum Start seiner Unternehmensvorstellung zeigte der Geschäftsführer von LaserCladding Germany GmbH, Jörg Buschhoff: Es ist wenig Material notwendig, um den defekten Kolben eines Schiffsmotors ein zweites Leben zu geben: Ein Tütchen mit 50 Gramm Pulver trägt die Firma mit der Methode des Laser-Pulver-Auftragsschweißen auf den Kolben auf. Später hat er nachweislich eine längere Lebensdauer als vor der Reparatur.
Zudem gibt es noch einen weiteren Vorteil: Pro Reparatur werden 39 kg Kohlendioxid (CO2) gegenüber einem Neukauf eingespart. Das entspricht zum Beispiel einer Fahrt mit einem Diesel-PKW von 15 Kilometern. Der Firma ist es sehr wichtig, ihre Kundschaft dahingehend zu sensibilisieren.
Daher weisen sie für jede ausgeführte Reparatur die jeweilige CO2-Einsparung aus. Insgesamt entsprechen die Einsparungen durch alle Reparaturen bei LaserCladding Germany dem CO2-Ausstoß von 17 deutschen Durchschnittshaushalten in einem Kalenderjahr – die Tendenz ist steigend, da sie immer mehr reparieren können.
Die Instandsetzung spart wertvolle Ressourcen und ist auch für die Kundschaft sehr einträglich. Denn die Firma berechnet ihnen ihren tatsächlichen Aufwand. Somit wird der Nutzen für die Kund*innen extrem hoch. LaserCladding Germany ist in mehreren Branchen bzw. mit Großbauteilen, vorrangig aus der Schifffahrt, jedoch auch zunehmend aus anderen Branchen wie z.B. Windkraft befasst. Sie sehen ein Win-Win-Win: Ein erfolgreiches Geschäft für Anbieter inklusive aller ihrer Mitarbeitenden, der Kund*innen und die Umwelt bzw. Gesellschaft. Das wollen sie umsetzen und noch bekannter machen.
Auch mit Blick auf ihre Unternehmenskultur ist die Firma auf Nachhaltigkeit fokussiert: Mit ihren 40 Mitarbeitenden haben sie gemeinsam Einsparpotentiale gesucht. So konnten sie in den vergangenen 4 Jahren trotz einer Umsatzsteigerung von 40% in Scope 1, 2 und 3 ihre Treibhausgasemissionen stark senken.
Der lange Weg zum innovativen Geschäftsmodell
Der Fokus auf Selbstverbesserung liegt in der DNA der Firma: Schon die „Mutterfirma“ Gall & Seitz setzt seit fast 100 Jahren auf das Geschäftsmodell Reparatur. In den 2000er Jahren begann dann die Entwicklung der Methode des Laser-Pulver-Auftragsschweißen. Zunächst startete es aus einem Forschungsprojekt heraus.
Nach einer Insolvenz übernahmen die aktuellen Geschäftsführer Jörg Buschhoff und Dr. Florian Wagner das Ruder. Nun starteten sie 2009 mit dem neuen Verfahren und als LaserCladding Germany GmbH durch. Es folgten Ausgründungen von Joint Ventures in anderen Ländern. Da die Nähe zur Kundschaft groß geschrieben wird, wurden auch mobile Einsatzschweißfahrzeuge für Reparaturen vor Ort entwickelt.
Reparatur als Leistung muss schnell und verlässlich verfügbar sein. Die Kundschaft will keine langen Wartezeiten. Oft können wir Reparaturen schneller ermöglichen, als neue Maschinen oder Ersatzteile zu kaufen.
Jörg Buschhoff, LaserCladding Germany

Für die kommenden Jahre sieht Jörg Buschhoff Nachhaltigkeit und als Teil davon die Rohstoffschonung als entscheidend für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Dazu gehören in ihrer Unternehmensstrategie: erstens die interne Aus- und Weiterbildung von Fachkräften für die individuelle Kompetenzentwicklung, zweitens die Transparenz und Offenheit nach Außen um „Nachahmer-Firmen“ zu aktivieren – weil sie die ganze Nachfrage gar nicht bedienen können – und drittens stetige Forschung und (Weiter-)Entwicklung mithilfe von neuen Technologien und Möglichkeiten der Selbstverbesserung.
Gesprächsrunde und Fahrt in den Hamburger Hafen
Im Anschluss fand ein Gespräch mit Carolin Ewald und Jörg Buschhoff statt.
Es wurde moderiert von Steffi Herzog vom Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft statt.
Dabei sprachen die Referent*innen auch über ihren ganz persönlichen Bezug zur Nachhaltigkeit, über Herausforderungen und über ihre individuelle Vision für die Zukunft.

Bei einem Snack von einem Hamburger Unverpackt Laden und von der lokalen Bäckerei tauschten sich die Teilnehmenden aus. Danach machten sie sich unter Begleitung von den „Reiseleitungen“ Susann Feuerschütz und Gerrit Neuhaus mit dem Shuttle-Service des Digitalzentrums auf den Weg in den Hamburger Hafen.
Führung durch das Unternehmen LaserCladding Germany

Am Vogelreth angekommen, beeindruckte ein Industrieflair und ein ungewöhnlicher Blick auf die Elbphilharmonie, die Grupppe. Die Location ist etwas Besonderes, das bestätigten auch die Geschäftsführer mit einer Geschichte aus der vorletzten Jahrhundertwende. Die Gebäude von Gall & Seitz waren wenige, die nach den Bombardierungen des 2. Weltkrieges im Umkreis noch standen, dank damals bereits innovativer Bauweise.
Und dann kam das Highlight des Tages: Die Reisetruppe wurde in drei Gruppen aufgeteilt und die Geschäftsführung samt einiger Mitarbeitender nahmen sich viel Zeit, den ganzen Betrieb zu zeigen.
In zwei Hallen gab es viel zu sehen:
Es gab Live-Schweißdemonstrationen, Robotik und gelebtes Lean-Management zu entdecken.
Und alle Fragen rund um das Auftragschweißen, Kundenkommunikation, Ausbildung von Fachkräften, Logistik bis hin zu materialwissenschaftlichen Fachfragen konnten geklärt werden.

Hier ein paar kleine Eindrücke von unserer Besichtigung:





Reflexion und Ausblick
Dieser Tag in Hamburg bei der GLS Bank und bei LaserCladding Germany hat eindrücklich gezeigt, dass Kreislaufwirtschaft realisierbar ist. Es wurde jedoch auch deutlich, dass auf dem Weg zum Erfolg Hürden zu meistern sind: Es gilt, im Spannungsfeld von Regulatorik und hohem Anspruch einen guten Mittelweg zu finden. Oder die Aufgabe kann sein, sich mit wenigen Ressourcen so smart aufzustellen, dass Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit, Kundennutzen und gute Arbeit möglich sind. Aber unsere beiden Unternehmen haben genau dies geschafft. Dies zu sehen, beflügelt! Und so fuhren wir, mit dem Gefühl nach Hause, dass auch kleine Mittelständler so viel erreichen können, wenn sie so mutig und geradeheraus sind wie die Hamburger.
Begleiten Sie uns weiter auf dieser Reise in eine nachhaltigere Zukunft!
Digitalisierung, Unternehmenskultur und Kreislaufwirtschaft hängen eng miteinander zusammen. Dies erleben Sie an Tag 3 unserer Reise zur Stannol GmbH und Co. KG in Velbert, Nordrhein-Westphalen.
Sie möchten weitere Infos zu unserer Reise in die Kreislaufwirtschaft bekommen? Hier geht es zu unseren Tagebucheinträgen der Edition Nordwest.
