Wie kann es einem Elektronik – Einzelhändler gelingen, sich in einem hart umkämpften Markt von der Konkurrenz abzuheben? Eine Antwort, die sich Tobias Zoch der Geschäftsführer einer Franchisefiliale des Unternehmens MEDIMAX überlegt hat, ist die Entwicklung unterschiedlicher Dienstleistungen, die in einer App für seine regionale Kundschaft zusammengefasst werden. Diese Services sollen den Kunden einen deutlichen Mehrwert bieten, gut für die Umwelt und die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens sein und gleichzeitig eine Erweiterung des Geschäftsmodelles darstellen. Ein Weg wie sich so ein ambitioniertes Vorhaben mit den begrenzten Ressourcen eines mittelständischen Unternehmens in die Tat umsetzen lässt, zeigen wir in diesem Artikel.
Der Einzelhandelsmarkt ist hart umkämpft, die Konkurrenz sowohl durch stationäre Läden, aber besonders durch den digitalen Handel ist enorm. Die Kunden haben im Bereich des Elektronikeinzelhandels eine riesige Auswahl.
„Im Schnitt besucht uns eine Kundin ein-zweimal pro Jahr. Das Prinzip des Stammkunden ist immer seltener zu finden. Dabei haben wir in der Region durchaus das Potential uns als zentraler Ansprechpartner für Elektronikprodukte zu positionieren.“ schätzt Tobias Zoch.
Besonders die regionale Kundschaft enger an seine Filiale zu binden, indem durch verbesserten Kundenservice gleichzeitig neue Einnahmequellen erschlossen werden, ist der Ausgangspunkt der Überlegungen von Tobias Zoch. Der Geschäftsführer von MEDIMAX Eberswalde sieht dabei vor allem Potentiale in einer digitalen Lösung, die der Kundschaft den Zugang zu umfassenden Services wie Reparaturbuchungen, Produktverfügbarkeitschecks und technischer Beratung erleichtert.
Aus seiner Perspektive werden dadurch die Kundenzufriedenheit und -orientierung maßgeblich gesteigert, die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens wirkungsvoll adressiert und letztlich eine stärkere Bindung der Kundschaft erzielt. Diese integrative Herangehensweise verbindet kundenorientierte Innovation mit nachhaltigem Wirtschaften und fördert somit langfristig den Unternehmenserfolg.
Die Entwicklung der App stellt MEDIMAX vor wesentliche Herausforderungen, insbesondere im effizienten Einsatz begrenzter Ressourcen. Diese effizient einzusetzen und gleichzeitig eine Anwendung zu konzipieren, die den spezifischen Bedürfnissen der lokalen Zielgruppe gerecht wird, ist keine triviale Aufgabe.
Zudem stellt die Integration von Echtzeit-Daten wie Produktverfügbarkeit und Servicebuchungen eine technische Hürde dar, da hierfür reibungslose Schnittstellen zu internen Systemen erforderlich sind. Eine App – Implementierung bedeutet immer auch Eingriffe in etablierte Arbeitsprozesse. Weiterhin gilt es, Datenschutzrichtlinien zu beachten und die Kunden langfristig zur Nutzung der App zu motivieren, um die gewünschte Kundenbindung zu erreichen.
„Wir haben junge Auszubildende, die sich privat mit der Gestaltung von digitalen Angeboten beschäftigen. Das gehört nicht zu den Hauptaufgaben ihrer Ausbildungsberufe, wir versuchen dennoch sie in die Entwicklung einzubeziehen“, betont Tobias Zoch, Geschäftsführung MEDIMAX Eberswalde.
Exkurs: Recht auf Reparatur
Am 22. März 2023 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine neue EU- Gesetzgebung zum „Recht auf Reparatur“ vorgestellt, die Service und Nachhaltigkeit fördert. Nach förmlicher Billigung durch den Rat und Veröffentlichung im Amtsblatt der EU haben die Mitgliedstaaten 24 Monate Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Die Gesetzgebung verpflichtet Hersteller, Ersatzteile und Reparaturanleitungen über einen längeren Zeitraum bereitzustellen, um die Lebensdauer von Produkten zu verlängern, Abfall zu reduzieren und nachhaltigen Konsum zu fördern. Unabhängige Reparaturdienstleister sollen besseren Zugang zu notwendigen Informationen und Teilen erhalten. Laut Kommission verursacht die vorzeitige Entsorgung noch brauchbarer Konsumgüter jährlich 261 Mio. Tonnen CO₂-Äquivalent, verbraucht unnötig 30 Mio. Tonnen Ressourcen und erzeugt 35 Mio. Tonnen Abfall. Verbrauchern entstehen dadurch Verluste von etwa 12 Mrd. EUR pro Jahr. Die neuen Vorschriften sollen 4,8 Mrd. EUR an Wachstum und Investitionen in der EU auslösen. Um Reparaturen erschwinglicher zu machen, muss jeder Mitgliedstaat mindestens eine Fördermaßnahme ergreifen, wie z. B. Reparaturgutscheine, Informationskampagnen oder Reparaturkurse.
„Mit dem neuen Recht auf Reparatur sind wir als Dienstleister bereit, unseren regionalen Kunden über unsere neue Service-App einen noch besseren Kundendienst zu bieten. Reparaturen werden einfacher und eine attraktive Alternative zum Neukauf teurer Produkte. So können wir nachhaltige Lösungen anbieten und gleichzeitig zum Umweltschutz beitragen. Wir freuen uns, durch diesen Fortschritt die Kundenbindung in unserer Region weiter zu stärken.“, meint Tobias Zoch
Die T. Zoch Electronic GmbH setzt als regionaler Dienstleister neue Maßstäbe in puncto Nachhaltigkeit und Kundenservice. Nach einem erfolgreichen Nachhaltigkeitscheck „Grüne Produktion“ durch das Mittelstand-Digital Zentrum Spreeland im Jahr 2023 fokussiert sich das Unternehmen verstärkt auf die Reparatur und den technischen Support von Haushaltsgeräten, Mobiltelefonen und Kaffeevollautomaten.

Durch die Etablierung einer neuen Werkstatt und die geplante Erweiterung des Serviceangebots im Bereich weißer Ware fördert das Unternehmen aktiv die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft. Statt einer linearen Wertschöpfungskette setzt die T. Zoch Electronic GmbH auf die Verlängerung der Produktlebensdauer, was sowohl der Umwelt als auch den Kunden zugutekommt. Mit der Entwicklung einer nutzerfreundlichen App wird der regionale Kundenstamm direkt angesprochen, und die Werte der Nachhaltigkeit und Regionalität werden klar kommuniziert.
Durch gezielte Schulungen und Partnerschaften positioniert sich das Unternehmen als LOCAL HERO und bietet einen umfassenden, nachhaltigen Service in der Region.
Um das Unternehmen bei der Konzeption der Applikation weitestgehend zu unterstützen, haben sich Expert*innen der Mittelstand-Digitalzentren Spreeland und Zukunftskultur zusammengetan, um Prinzipien der agilen Produktentwicklung im Unternehmen zu vermitteln und am Beispiel der Applikationsentwicklung zu erproben. Ziel dieses Vorgehens ist es dem Unternehmen ein Verfahren nahe zu bringen, mit dem es in Eigenarbeit weite Teile der Konzeption erbringen und so finanzielle Ressourcen für die Erstellung sparen kann. Die Entwicklung mit Geschäftsführung und Mitarbeitenden zu organisieren ist keine einfache Aufgabe. Die Kolleginnen des Mittelstand-Digital Zentrums Zukunftskultur arbeiten in einem Vorgehen, das aufbauend auf Prinzipien der agilen Produktentwicklung mit dem Unternehmen daran die Kundenperspektive einzunehmen und ins Zentrum der Entwicklung zu stellen. Aufbauend auf den Ergebnissen einer Umfrage und der Erstellung von Personas wurden daraufhin Ideen für die Umsetzung in Prototypen entwickelt.
„Dank der Hilfe der Mittelstand-Digital Zentren haben wir gelernt, wie wichtig es ist, die Perspektive unserer Kunden einzunehmen. Mit Umfragen und der Erstellung von Personas konnten wir neue Ideen entwickeln und in Prototypen umsetzen.“, beschreibt ein Mitarbeiter seine Eindrücke nach der Übung.
Wie diese getestet und am Ende zur stetigen Verbesserung der Prototypen eingesetzt werden können, ist abschließender Inhalt, den die Mitarbeiter beider Zentren den Mitarbeitenden von MEDIMAX vermitteln. Die Expert*innen des Mittelstand-Digital Zentrums Spreeland spielen eine entscheidende Rolle bei der Planung der Service-App für MEDIMAX, indem sie die Integration fortschrittlicher Technologien wie Künstlicher Intelligenz (insbesondere Chatbots), Augmented-Reality- Produktvisualisierungen und digitalen Bonuskartensystemen fachkundig begleiten. Ihre Aufgabe besteht darin, den Mitarbeitenden des KMU diese innovativen Konzepte während der Ideenentwicklungs- und Prototyping-Phase durch anschauliche Beispiele verständlich zu vermitteln. In gemeinsamen Workshops wird die Planung gezielt auf die zukünftige Anwendung der App im Unternehmenskontext ausgerichtet. Zudem werden aktuelle Standards in Design und Benutzeroberfläche diskutiert, um eine nutzerfreundliche und ansprechende Lösung sicherzustellen. Durch diese umfassende Unterstützung trägt das Zentrum Spreeland maßgeblich dazu bei, dass die App nicht nur den neuesten technologischen Anforderungen entspricht, sondern auch optimal auf die spezifischen Bedürfnisse des Unternehmens zugeschnitten ist.
Durch die intensiven Gespräche der Expertinnen der Mittelstand-Digital Zentren über verfügbare Förderinstrumente, insbesondere den Brandenburgischen Innovationsgutschein Digital (BIG Digital), kann sich Tobias Zoch nicht nur zusätzliche finanzielle Ressourcen erschließen, sondern auch konkrete Maßnahmen zur digitalen Transformation einleiten. Diese fundierte Unterstützung befähigt jetzt MEDIMAX Eberswalde, Fördermittel effektiv zu nutzen und innovative Projekte wie die geplante nachhaltige Kunden-Service-App erfolgreich umzusetzen.
MEDIMAX Eberswalde initiiert die Entwicklung einer Service-App, um die Kundenbindung innerhalb der lokalen Zielgruppe in Eberswalde und Umgebung zu stärken und den Kunden zusätzlichen Mehrwert zu bieten. Im Zuge eines Design-Thinking-Prozesses wurden die Bedürfnisse der Zielgruppe analysiert, Herausforderungen identifiziert und erste Ideen generiert, die nun in einem detaillierten Konzept ausgearbeitet werden sollen. Ein Fragebogen, erstellt mit dem Tool LimeSurvey und direkt im Geschäft von zwei Auszubildenden eingesetzt, diente der Zielgruppenanalyse und lieferte wertvolle Erkenntnisse.
Durch die Kombination des Fragebogens mit der agilen Methode der Empathy Map entstand ein tiefgreifendes Verständnis für die primäre Zielgruppe: Personen im Alter von 30 bis 69 Jahren aus einem Umkreis von 15 km um Eberswalde. Diese Gruppe zeichnet sich durch eine moderate Nutzung von Elektronikfachmärkten aus. Die entwickelten Personas „Dieter“ (69 Jahre, technikunerfahren) und „Torsten“ (45 Jahre, gestresster Arbeitnehmer) verdeutlichen unterschiedliche Bedürfnisse—von Unterstützung bei der Technikauswahl bis hin zu effizienter Kaufabwicklung und der Notwendigkeit von Beratung und After-Sales-Services. Mit Hilfe des Tools MURAL wurden Ideen und Prioritäten aus den Umfrageergebnissen strukturiert, was die Grundlage für eine umfassende Projektdokumentation bildete. Die geplanten Funktionen der MEDIMAX Service-App erstrecken sich über die Phasen Pre-Sales, Sales und After-Sales, um Kunden in jeder Phase der Customer Journey optimal zu unterstützen. Das App-Design lehnt sich an das Corporate Design von MEDIMAX an und integriert regionale Elemente wie Symbole von Eberswalde, um die lokale Verbundenheit zu stärken. Im Verlauf des Projekts wurden folgende Schwerpunkte vermittelt und geschult: der Bau von Prototypen inklusive Einreichung bei verschiedenen Stakeholdern wie der Wirtschaftsförderung und dem MEDIMAX-Franchise, Durchführung von Kundentests innerhalb des Unternehmens, iterative Verbesserung der Prototypen, Entwicklung eines Szenarios vom Minimum Viable Product (MVP) zur voll funktionsfähigen App, Methodenkompetenz in Prototyping, Bewertung und Weiterentwicklung des Konzepts sowie die Möglichkeiten der Integration von KI-basierten Chatbots als Teil der App.
„Jetzt können wir selbst weitermachen und unsere App mit Eigenmitteln zielführend weiterentwickeln“. Mit diesen Worten fasste Tobias Zoch die beiden gemeinsamen Tage zusammen.