Zertifizierung von eLearning-Angeboten mittels Smart Contracts

Frau schreibt auf Block mit Computer im Blick


14. Juni 2022 | Von Holger Schneider, Svenja Dittmann

Die CAD Schroer GmbH entwickelt Engineering-Lösungen und erschließt Innovationspotenziale durch die Analyse von Smart Contracts auf deren Marktpotenzial. Durch den Einsatz der Blockchain-Technologie überprüfen diese digitalen Verträge die Integrität und Authentizität von Prozessen ohne Mittelspersonen. Am Beispiel der Zertifizierung der Lehrinhalte und erfolgreichen Teilnahme von Schulungsangeboten des Unternehmens werden Medienbrüche eliminiert, Prozesse optimiert, neue Möglichkeiten für die Digitalisierung von Prozessen erschlossen und Vertrauen geschaffen.

Experimentieren mit der Blockchain Technologie

Sergej Schachow ist Business Development Manager der CAD Schroer GmbH. Mit Unterstützung des FTK e. V., – Mitglied des Konsortiums im abgeschlossenen Projekt Mittelstand 4.0 – Kompetenzzentrum Kommunikation und Konsortialpartner im Mittelstand-Digital Zentrum Zukunftskultur – sollte an gemeinsame Zusammenarbeit aus der Vergangenheit angeknüpft werden. Durch die gemeinsame Analyse  von Innovationsfeldern und Potenzialen  des Unternehmens wurde schnell der Themenkomplex „Blockchain“ in Kombination mit „Smart-Contract-Technologien“ identifiziert. Um praktische Erfahrungen mit den Technologien zu sammeln, wurde das Pilotprojekt im Geschäftsfeld der Weiterbildung durchgeführt. Da die CAD Schroer GmbH und das FTK e.V. bereits gemeinsam an Themen im Umfeld des eLearnings gearbeitet haben, bot sich dieses Vorgehen an.

Gemeinsam hat die CAD Schroer GmbH und das FTK e.V. ein erstes Pilotprojekt realisiert. Auf dessen Grundlage wurde die Identifikation und Entwicklung von weiteren Produktinnovationen über Smart Contracts vorangetrieben. Dieses Szenario ist auch auf andere Geschäftsbereiche des Unternehmens skalierbar, wie zum Beispiel auf den Bereich „Internet der Dinge“.

Problemanalyse analoger Akkreditierungprozesse

Ausgangspunkt  dabei ist der ablaufende Standardprozess für die Akkreditierung von eLearning-Schulungen und das Ausstellen von Bildungszertifikaten für Personen, die Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen erfolgreich absolviert haben, siehe Schaubild 1:

Schaubild 1

Eine dritte Partei berechtigt den Bildungsdienstleister aufgrund eines qualitätsgesicherten Lehrangebotes Schulungen durchzuführen und Teilnehmenden Zertifikate auszustellen. Der Bildungsdienstleister händigt die Zertifikate normalerweise in Papierform und mit Unterschrift und Stempel versehen aus. Unterschrift und Stempel sind notwendig, um die Authentizität des Dokumentes sicherzustellen. Dabei lassen sich jedoch einige Herausforderungen identifizieren:

Der Medienbruch zwischen dem digitalisierten eLearning-Angebot zum Zertifikat auf Papier bringt zusätzlich Prozesse, Kosten und Laufzeiten für Bildungsdienstleister mit sich. Im einfachsten Fall erhält die verantwortliche Person im Unternehmen das Zertifikat zur Ablage. Zur Überprüfung der Integrität und Authentizität der Zertifikate muss in bestimmten Fällen, gerade bei unternehmensübergreifenden Prozessen, aber eine Beglaubigungsinstanz eingeschaltet werden, zum Beispiel ein Amt oder ein Notariat.  Diese Herausforderung besteht bei den konkreten Lehrangeboten der CAD Schroer GmbH häufig nicht, führt aber, wenn sie auftritt, zu weiteren Laufzeiten und Kosten für auszubildende Personen und deren Arbeitgeber.

Wenn ein Unternehmen darauf angewiesen ist, dass Angestellte rechtssicher einen Bildungsnachweis besitzen, vergehen somit häufig einige Tage. Beim Arbeitgeber ist dann die manuelle Verwaltung und Anpassung von Personalunterlagen und Zugriffsberechtigungen mit einem umständlichen bürokratischen Aufwand verbunden, vor allem, wenn die Schulungsmaßnahmen wiederholt und für viele Mitarbeiter*innen durchgeführt werden.

Was ist bei der Realisierung von Smart Contracts zu beachten?

Für die Realisierung und Erprobung einer Lösung auf Basis von Smart Contracts galt es, folgende Kriterien zu beachten:

(a) Voneinander unabhängige Parteien nutzen die Dokumente bzw. Zertifikate
(b) Eine dritte Instanz muss die Authentizität und Integrität der Dokumente und Prozesse regelmäßig prüfen.   

Ziel war es, das herkömmliche Zertifizierungsverfahren erheblich zu beschleunigen und einfacher zu machen. Wichtig dabei: die Aufwände für die Realisierung einer derartigen Lösung besser abschätzen zu können und zu identifizieren, wie sich die Lösung in Unternehmensprozesse integrieren lässt.

Bedenken hinsichtlich der Nutzung von Smart Contracts bzw. der Blockchain gab es insbesondere, weil das Verfahren bislang noch wenig erprobt ist und die bisherige Vorgehensweise auch Vorteile hat: Die Prozesse sind etabliert, bekannt, anerkannt und haben eine lange Haltbarkeit. Unabhängig von Online-Diensten, sind keine zusätzlichen Investitionen notwendig.

Smart Contracts: Die sichere Akkreditierung von eLearning Schulungen

Als Lösung entschied sich die CAD Shroer GmbH und das FTK e.V. „Smart Contracts zu initiieren und zu nutzen. Ziel war es, über eine Smart-Contract-Plattform als „digitaler Notar“ den Bildungsdienstleister, die Akkreditierungsstelle (bspw. ein Maschinenhersteller) sowie die an den eLearning-Schulungen teilnehmenden Personen digital miteinander zu verbinden. Beim Bestehen eines Kurses erhalten Absolventen/-innen nun unmittelbar im Anschluss daran – in Echtzeit – ein elektronisches Zertifikat. Das ermöglicht eine sofortige Anwendung auf das Zertifizierungs- und (Zugriffs-)Berechtigungsmanagement bei der Kundschaft des Bildungsdienstleisters. Wie das Verfahren abläuft, zeigt Schaubild 2:

Die technische Umsetzung des Piloten wurde vom FTK e. V. für CAD Schroer GmbH realisiert. Dazu hat das FTK e.V. ein Smart Contract für die Ethereum- Plattform entwickelt. Der digitale Vertrag bildet den Zertifizierungsprozess ab. Bei CAD Schroer kommt für eLearning-Angebote unter anderem das Learning Management System (LMS) Moodle zum Einsatz. Mittels eines Plug-in konnte das LMS automatisch nach Abschluss des Bildungsangebotes zwei Dokumente erzeugen. Zum einen generiert es automatisch ein PDF- Dokument als Zertifikat. Dies kann sofort heruntergeladen werden. Zum anderen stellt es Absolventen*innen innerhalb des Smart Contracts ein digitales Zertifikat aus.

Das Unternehmen demonstrierte die Prozessintegration mittels einer Demo-Anwendung bei den Arbeitgebern und den Absolvent*innen. Diese verbindet IoT-Daten und das betriebliche Berechtigungsmanagement einer Industrieanwendung – im Beispiel zur Steuerung und Überwachung von Anlagen – mit dem Smart Contract.  Transaktionen finden dort über die Ethereum Blockchain statt. Für den Piloten hat das Unternehmen eine private Blockchain aufgesetzt. Absolventen/-innen können nun wenige Sekunden, nachdem die Zertifizierung erfolgt ist, mit einer gesichert nachgewiesenen Qualifikation entsprechende Anlagen bedienen.

Vorteile von Smart Contract Verfahren auf einen Blick

  • Die Akkreditierung des Bildungsangebotes ist automatisiert möglich
  • Medienbrüche wurden eliminiert
  • Ein Intermediär zur Sicherstellung der Authentizität und Integrität von Dokumenten ist nicht mehr notwendig
  • Die Laufzeiten vom Abschluss der Weiterbildung bis zur Nutzung einer Anlage mit nachgewiesener Qualifikation für die Anlagennutzung liegen im Bereich von Sekunden
  • Die Informationen über die Qualifikation sind gemeinsam mit anderen Daten in Quasi-Echtzeit in Unternehmensprozessen nutzbar
  • Bildungsdienstleister können diese Form der Zertifizierung als innovatives Alleinstellungsmerkmal nutzen
  • Das papierbasierte Zertifikat ist weiterhin begleitend möglich und die Vorteile des analogen Prozesses können weiter genutzt werden
  • Durch die Realisierung als Plug-in in bestehende Lernumgebungen ist solch eine Lösung durch den Bildungsanbieter einfach in Betrieb zu nehmen

Doch ganz frei von Nachteilen ist die Lösung nicht: Der Einsatz durch den Bildungsanbieter ist mit überschaubarem Aufwand machbar. Dennoch müssen Unternehmen, die derartige Bildungszertifikate in ihre Prozesse integrieren wollen, in der Regel einen höheren digitalen Reifegrad besitzen. Außerdem sollten sie mit den Konzepten und Möglichkeiten von Smart Contracts vertraut sein.

Für bestimmte Systeme bei Arbeitgebern lassen sich ähnlich standardisierte Erweiterungen wie das Moodle-Plug-In realisieren, um die Akzeptanz zu erhöhen, zum Beispiel für das Personalwesen. Die tiefere Integration in die Prozesse hingegen wird von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich sein und ist von der Gesamtlage abhängig.

Smart Contracts finden den Weg in den Unternehmensalltag

Die Lösung für das als Smart-Contract-Piloten ausgewählte Szenario konnte schnell und mit überschaubarem Aufwand realisiert werden. Dies zeigt, dass Smart-Contract-Plattformen eine alltagstaugliche Reife erlangt haben. Zudem hat die CAD Schroer GmbH wichtige Erkenntnisse für den Technologieeinsatz erhalten, die zum Abschluss des Umsetzungsprojektes vertieft werden sollen. Dazu werden gemeinsame Workshops stattfinden, in denen weitere Abteilungen des Unternehmens hinzugezogen werden. Aus dem Gelernten heraus, können weitere Szenarien – beispielsweise im „Internet der Dinge“ – für konkrete Innovationen und weitere Aktivitäten zu erarbeiten. Das FTK e.V. hat die Lösung übertragbar aufgesetzt. So ist sie auch für Aus- und Weiterbildungsformate anderer Unternehmen und Institutionen denkbar wäre. Die Anwendung ist skalierbar, auch wenn bislang ein Notariat oder Amt als Intermediär fungiert hat. Beispielhafte Fälle hierfür: Flugsicherheit, Gefahrenstoffe, Gesundheit, Jugendsicherheit, Militär, Polizei. Ein Notariat oder Amt kann häufig zwar die Integrität, nicht aber unbedingt die Authentizität gewährleisten. Die Smart-Contract-Lösung fungiert in diesem Fall als verteilter digitaler Notar.

In Dortmund am Demonstrationslabor des Mittelstand-Digital Zentrums Zukunftskultur steht die entwickelte Anwendung zur Anschauung bereit. Hier kann die Integration in eine Lernumgebung sowie die Integration in das betriebliche Berechtigungsmanagement mit RFID-basierter Zugriffskontrolle und Echtzeitdaten ausprobiert werden. Die Demonstration kann vor Ort oder online erfolgen.

Kontaktmöglichkeit

Holger Schneider

hschneider@ftk.de

+49 231 / 975056-21

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