Agilität – Modetrend oder sinnvolles Werkzeug für KMU? Diese Frage stellt sich auch die Merentis GmbH, ein in Bremen angesiedeltes Software-Unternehmen mit rund 100 Beschäftigten. Wir haben dem Unternehmen die agile Produktentwicklung in einem Praxis-Workshop erlebbar gemacht.
Was versteckt sich hinter dem Begriff „Agile Produktentwicklung“? Eine agile Entwicklung ermöglicht es Unternehmen, Produkte flexibel am Marktbedarf anzupassen. So können Unternehmen effektiv auf Veränderungen, Risiken und Unsicherheiten reagieren. Dazu bedarf es eines selbstorganisierten Teams, das in kurzen Entwicklungszyklen („Sprints“) aus dem eingegangenen Feedback kontinuierlich weiterentwickelte funktionierende Produktversionen erstellt.
Die Firma Merentis GmbH ist ein in Bremen angesiedeltes Software-Unternehmen mit rund 100 Beschäftigten, gegliedert in die Geschäftsbereiche Intelligente Prozesse & Lösungen sowie Managed Services. Das Angebotsportfolio besteht u. a. aus Anwendungen in den Bereichen Robotic Process Automation (RPA), Prozessintelligenz und –assistenz, Content Services und Beratungsdienstleistungen.
Es wird eine branchenübergreifende und größenunabhängige Klientel adressiert. Bei Merentis arbeiten neben dem bereits agil arbeitenden Forschungs- & Entwicklungsbereich, dem MERENTIS e:hub, mehrheitlich hierarchisch strukturierte Teams an der Entwicklung neuer oder bestehender technischer Lösungen und Services nebeneinander.
Auf Initiative des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Bremen rückte im Unternehmen das Thema „Agiles Arbeiten“ verstärkt in den Fokus. Hier sieht das Unternehmen Chancen der Effektivitätssteigerung in der Produktentwicklung. Das Interesse des Unternehmens an diesem Ansatz besteht auch deshalb, da Großkunden agile Entwicklungsprozesse verstärkt einfordern. Den ersten Kontakt zu unserem Zentrum stellte das Unternehmen über die Online-Veranstaltung „Pausensnack Agilität“ her. Hier wurde der konkrete Nutzen von Agilität und selbstorganisierten Teams in mittelständischen Unternehmen diskutiert.
Das Unternehmen verfügt bisher über wenig praktische Erfahrungen mit agiler Arbeit und agilen Teamstrukturen. Insbesondere vonseiten der aktuellen Teamleiter*innen ist sowohl Neugier als auch Skepsis bezüglich agiler Arbeitsmethoden spürbar – im Hintergrund stehen dabei Fragen und Unsicherheiten, ob die eigene Rolle als Führungskraft in den sich künftig selbst organisierenden agilen Teams überhaupt weiterhin benötigt wird.
Die Unterstützung der Merentis GmbH erfolgte in einem mehrstufigen Prozess. Nach der Informationsveranstaltung „Pausensnack Agilität“ nahmen interessierte Mitarbeiter*innen der Merentis GmbH an einer vertiefenden Online-Sprechstunde teil. Durch den intensiven Austausch zur „Scrum“-Methodik, einem Werkzeug für agiles Projektmanagement in selbstorganisierten Teams, wurde die Idee zur Durchführung eines „Erlebnis-Workshops“ zur agilen Arbeit entwickelt.
Die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung und Durchführung führte unser Kollege und ScrumMaster Danny Kensa in enger Abstimmung mit der Merentis GmbH und dem Mittelstand 4.0-Kompetenzentrum Bremen durch.
Vor dem Hintergrund der Bedenken der Teamleiter*innen wurde entschieden, das gewohnte operative Umfeld der Mitarbeitenden zu verlassen und im Workshop anhand eines fiktiven Szenarios zu arbeiten. Dazu diente auch der Veranstaltungsort: die neuen, für das Experimentieren bestens ausgestatteten Räumlichkeiten des Digital Hub Industry Bremen. Dadurch wurde erreicht, dass sich die Teilnehmenden des Workshops nicht auf die aktuellen beruflichen Prozesse, Herausforderungen und vertraute Muster fokussierten, sondern sich auf die unbekannte methodische Herangehensweise des agilen Arbeitens einlassen konnten.
Der Erlebnis-Workshop startete mit einem kurzen Impuls zur Methodik „Scrum“ und der Verteilung der dazugehörigen Rollen:
- Danny Kensa (Zentrum Zukunftskultur) übernahm die Rolle des ScrumMasters,
- Holger Schneider (Zentrum Zukunftskultur) die Rolle des Product Owners, sie repräsentiert die Kundschaft bzw. die Auftraggeber*innen,
- und die anwesenden Mitarbeiter*innen von Merentis schlüpften in die Rolle des selbstorganisierten (agilen) Teams der Entwickler*innen.
Nadine Mussehl (Mittelstand 4.0-Kompetenzentrum Bremen) unterstützte und dokumentierte die Zusammenarbeit des Teams.
Zur Verwirklichung der Produktvision im Sinne der Kundschaft durchliefen die Teilnehmer*innen zwei exemplarische „Scrum-Sprints“, jeweils inklusive der Events Planning, Standup, Review und Retrospektive. Die Produkte wurden als metaphorische Modelle aus LEGO®-Steinen1 entwickelt.
Im Rahmen des halbtägigen Workshops wurde agiles Arbeiten in selbstorganisierten Teams am Beispiel einer fiktiven Produktvision erlebbar gemacht. Die Teilnehmer*innen empfinden ihre ersten Erfahrungen mit agilen Entwicklungsprozessen als wertvoll und vor allem übertragbar auf ihre operativen Aufgabenfelder:
Mir hat sich die Agilität heute als Werkzeug neu erschlossen – als Team haben wir aus vagen Visionen und Anforderungen in sehr kurzer Zeit echte Produkte entwickeln können! Wir haben zielgerichtet und punktgenau miteinander kommuniziert und dadurch unheimlich viele Synergien in den Produkten und im Team geschaffen. Das agile Vorgehen lässt sich auf viele operative Bereiche unseres Unternehmens übertragen und dürfte uns sehr nützlich sein.
Finn J.
Agile Kommunikations- und Arbeitsprozesse machen für mittelständische Unternehmen also immer dann Sinn, wenn komplexen Herausforderungen oder sich ständig wandelnde Rahmenbedingungen in unbeständigen Märkten existieren. Diesen kann durch Agilität strukturiert und ressourcenschonend begegnet werden.
Unternehmen müssen sich dabei nicht als komplette Organisation einer agilen Methodik ganzheitlich „unterwerfen“ – vielmehr gilt es herauszufinden, wo im Unternehmen agiles Vorgehen einen Mehrwert gegenüber den aktuellen Prozessen und Methoden darstellen kann. In diesen Bereichen können dann gezielt erste Erfahrungen und Erfolge mit agiler Arbeit gesammelt werden.
Dos und Don’ts
Was können Sie als Unternehmer*in oder Führungskraft tun, um in der Organisation agiler zu werden?
- Selbstorganisation von Teams als Chance zur Optimierung von Arbeitsabläufen und zur Teambildung begreifen
- Interdisziplinäre Teamstrukturen und Selbstorganisation ermöglichen
- Vertrauen in die produktive Arbeit von selbstorganisierten Teams schenken!
- Das Team aus eigenen Fehlern lernen lassen
- Aufgaben übernehmen lassen (Pull-Prinzip)
- Mitarbeiter*innen aktiv in Entwicklungsprozesse einbinden, auch schon bei der Ideenfindung und dem Projektdesign
- Auch späte Anforderungsänderungen willkommen heißen und adaptiv in die Produkt-Entwicklung einbeziehen
- Regelmäßige interne Austauschformate für die Teams initiieren und begleiten
- Gegenseitige, selbstgesteuerte Unterstützung und Ressourcenverteilung der Teammitglieder im Entwicklungsprozessen anregen
- Dem Entwickler*innenteam eine*n „Kümmerer*in“ an die Seite stellen
- Langfristige und kleinteilige Projektpläne (vor)schreiben
- In „Expert*innen-Silos“ (Abteilungen) agieren
- Aufgaben direktiv zuweisen und umsetzen lassen (Push-Prinzip)
- Anforderungsänderungen ablehnen
- Aktuelle Veränderungen der Rahmenbedingungen ignorieren
- Nur die Perspektiven von Führungskräften in Entwicklungsprozessen einbeziehen
- Nur die eigene Perspektive zum Produkt berücksichtigen
- über formale Eskalationskanäle kommunizieren
- Fehler durch kontinuierliche Kontrollen grundsätzlich vermeiden wollen
Kontakt
Sie wollen herausfinden, ob auch Ihnen agiles Arbeiten Nutzen bringt? Sprechen Sie uns gerne an!
1 Wichtiger Hinweis gem. der LEGO® SERIOUS PLAY® Trademark Guidelines
Holger Schneider, FTK e. V., ist befähigt, Workshops nach der Methode LEGO® SERIOUS PLAY® zu moderieren. LEGO, SERIOUS PLAY, die Minifigur sowie die Steine- und Noppen-Konfigurationen sind Trademarks der LEGO Gruppe, die diesen Workshop und diese Dokumentation nicht sponsert, autorisiert oder unterstützt.
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