Mit Unterstützung des Mittelstand-Digital Zentrums
Die aktuelle Krise macht uns allen zu schaffen – Am meisten sind allerdings deutsche Unternehmen betroffen, die gleich vor mehreren Problemen stehen: Neben dem steigenden Mindestlohn, erhöhen sich gleichzeitig die Einkaufspreise für Energie und Rohstoffe. Dieser Entwicklung gilt es durch innovative, datengetriebene Geschäftsmodelle entgegenzuwirken.
Die Bäckerei Bergmann: Ein Familienunternehmen der Region Thüringen
Die Bäckerei Bergmann ist ein Thüringer Bäckereibetrieb mit langjähriger, traditionsreicher Geschichte. Der Ur-Urgroßvater der heutigen Geschäftsführung eröffnete 1908 die erste Filiale der Bäckerei Bergmann in Griefstedt in Nordthüringen. Heute ist aus dem kleinen Familienbetrieb ein leistungsstarkes und beliebtes Bäckereiunternehmen geworden, für das mittlerweile 450 Beschäftigte in 50 Thüringer Bäckerei-Filialen arbeiten.
Der Erfolg und das schnelle Wachstum sind vor allem auf die hohe Innovationskraft des Unternehmens zurückzuführen: So erarbeiten die Beschäftigten in Arbeitskreisen Ideen zur Weiterentwicklung des Unternehmens und denken so gemeinsam mit der Geschäftsführung die Prozesse und Systeme einer Bäckerei komplett neu. Das zeigt sich auch darin, dass Nachhaltigkeit ein echtes Herzensthema der Geschäftsführung ist. Ziel ist es, bis 2032 90% aller Zutaten aus Thüringen zu beziehen.
Resilienz in Krisenzeiten beweisen: Preisdruck von allen Seiten
Bis ins Jahr 2019 konnte die Bäckerei Bergmann viele Jahre lang ein zweistelliges Wachstum erzielen und viele neue Filialen eröffnen. Mit Beginn der Corona-Pandemie wurde das makroökonomische Umfeld schließlich deutlich komplexer, und im Jahr 2022 steht die Bäckerei vor einer Vielzahl von neuen Herausforderungen: Während einerseits durch die hohe Inflation die Einkaufspreise stark steigen, erhöhen sich andererseits durch die Mindestlohnerhöhung auch die Personalkosten deutlich. Ein weiteres Problem stellen außerdem die stark steigenden Energiepreise dar, da Bäckereien durch den Betrieb von Industriebacköfen viel Energie benötigen. Diesen Preisdruck von verschiedenen Seiten muss das Unternehmen nun an seine Kundschaft weitergeben – in einer Zeit, in der die privaten Konsumausgaben ohnehin stark rückläufig sind. Auch wenn die Bäckerei Bergmann gut auf eine Krise vorbereitet ist, wächst in der gesamten Branche die Angst vor einem „Bäckereisterben“. Der Wettbewerbs- und Preisdruck der Konkurrenz, den sogenannten Back-Factories, ist enorm.
Das Team des Mittelstand-Digital Zentrum Zentrums Zukunftskultur verschafft sich einen Überblick über die Situation
Um in dieser Situation die richtigen Entscheidungen für das Unternehmen zu treffen, entschloss sich die Geschäftsführung zu einem Umsetzungsprojekt mit dem Mittelstand-Digital Zentrum Zukunftskultur (MDZ), das durch die Berlin Digital Group (BDG) durchgeführt wurde. Hierbei wurde das BDG-Team durch das Mittelstand-Digitalzentrum Hamburg unterstützt. Ziele des Projektes waren die Entwicklung von Ansatzpunkten für neues Umsatzpotential, Kostenstrukturen einer Backmanufaktur für die Kundschaft transparent zu machen sowie bisher ungenutzte Produktionskapazitäten besser auszufüllen.
Um erste Ansatzpunkte zu identifizieren, führte das Team des MDZ zunächst eine Markt- und Konkurrenzanalyse durch und identifizierte aktuelle Trends in der Bäckereibranche. So wurden Interviews mit den Führungskräften (Geschäftsführung, Produktionsleitung, Vertriebsleitung) durchgeführt, unternehmensinterne Daten analysiert und auch die Arbeitskreise des Unternehmens besucht, um mit den Verkäufer*innen ins Gespräch zu kommen. Zudem verschaffte sich das Team vor Ort in verschiedenen Filialen der Bäckerei Bergmann einen Eindruck und führte auch eine erste Befragung der Kundschaft durch.
Aus den Analysen ergaben sich folgende drei Ansatzpunkte, die in zwei Workshops vertieft wurden:
- Daten – Da über Kassensysteme viele Finanzdaten erhoben werden, konnte eine Analyse zeigen, dass sich die Filialen in Cluster unterteilen lassen, also einer Kategorisierung nach verschiedenen Faktoren wie z.B. Lage, Umsatz pro Bon oder Abweichungen bei der verwendeten Zahlungsmethode. Die Analyse ermöglichte Verbesserungsansätze bei der Margenanalyse und dem daraus folgenden Vertriebsansatz. Auch weitere noch ungenutzte Potentiale im Data-Mining und der Datenanalyse konnten identifiziert werden, die die Bäckerei Bergmann zukünftig bei der Geschäftsentwicklung helfen. So kann beispielsweise die Produktgestaltung entsprechend der Cluster angepasst werden.
- Schulungen – Die Bäckerei Bergmann bietet ihren Beschäftigten bereits heute auf einer eigenen Online-Plattform Pflichtschulungen zu Themen wie Hygiene und Arbeitssicherheit an. Informationen zum Sortiment der Bäckerei erhalten die Verkäufer*innen allerdings immer noch auf einem sogenannten „Produktinformationsblatt“. Die Vorgespräche hatten ergeben, dass das Verkaufspersonal diese Informationen aber nicht immer alle im Kopf haben und für Verkaufsgespräche einsetzen können. Um das zu verbessern, entwickelte das MDZ ein Konzept für animierte Erklärvideos und erstellte auch gleich ein Beispielvideo für eines der Signaturprodukte der Bäckerei – Das Thüringer Landbrot. Der Hintergedanke: Durch die Verknüpfung von auditiven und visuellen Reizen macht das Lernen neuer Produktdetails zukünftig richtig Spaß, und die Alleinstellungsmerkmale einzelner Produkte können zukünftig besser hervorgehoben werden. Vom Erklärvideobeispiel des Thüringer Landbrotes zeigte sich das Verkaufspersonal begeistert: „Wenn dadurch mehr Verkäufer*innen ein besseres Verständnis haben, würden wir mehr verkaufen.“ und „Bei einem Video bleibt mehr hängen, als wenn ich mir die Infoblätter durchlese“. Außerdem können diese Videos auch auf sozialen Plattformen für die Kundschaft eingesetzt werden.
- Die Kundschaft besser verstehen – Komplementär zur Analyse von Finanzdaten ist ein gutes Verständnis der Kundschaft wichtig, um auf Basis von Daten die Zufriedenheit von Bestandskunden zu garantieren und neue Gruppen an Kund*innen zu erschließen. Um sich hierbei zukünftig nicht mehr auf das eigene Bauchgefühl verlassen zu müssen, wurde eine eigens entwickelte Umfrage (analog als auch digital durchführbar) entwickelt, mit der das Unternehmen eigene Daten der Kundschaft erheben kann.
„Das Thema mit der Umfrage treiben wir schon viel zu lange vor uns her.“
Tino Hafermalz, Verkaufsleiter Bäckerei Bergmann
Geschäftsmodellmuster
Die Methode „Geschäftsmodellmuster“ basiert auf der Publikation „Geschäftsmodelle entwickeln“ von Oliver Gassmann, Karolin Frankenberger und Michaela Csik. Analysen zeigen, dass rund 90% aller Geschäftsmodelle weltweit eine Re-/Neukombination dieser 55 „Geschäftsmodellmuster“ sind. Die Berlin Digital Group (BDG) hat die Methode für das Mittelstand-Digital Zentrum auf den Mittelstand angepasst und so adaptiert, dass kein Vorwissen nötig ist, da die Geschäftsmodelle einfach erklärt und bestehende Beispiele aus dem Alltag genannt werden.
Der Workshop: Von der Theorie in die Praxis
Im Workshop entwickelten sowohl Führungskräfte als auch Verkäufer*innen mit der Methode der Geschäftsmodellmuster in Gruppen neue kreative Ansätze für die Bäckerei, die anschließend im Plenum vorgestellt und diskutiert wurden. Die Ideen waren vielfältig: Von der Digitalisierung über Abo-Modelle bis hin zur Emotionalisierung von Produkten entstanden viele Konzepte. Im Anschluss an den Workshop zeigte sich Geschäftsführer Matthias Bergmann begeistert:
„Ich bin beeindruckt, wie sehr das ganze Konzept auf uns zugeschnitten war. Die Theorie war super vorbereitet und die Methode sehr frisch und greifbar, was zum Mitmachen animiert hat.“
Matthias Bergmann, Geschäftsführer Bäckerei Bergmann
Auch den Verkäufer*innen fiel es leicht, kreative Ideen zu entwickeln und aus ihrem wertvollen Erfahrungsschatz durch den täglichen Kontakt mit der Kundschaft zu schöpfen. Im nächsten Schritt sollen nun die vielversprechendsten Ideen in einem eigenen Arbeitskreis gemeinsam mit der Geschäftsführung ausgearbeitet und zeitnah umgesetzt werden.