Unternehmenswachstum? Nur mit Digitalisierung und klaren Prozessen!

Brainstorming im Workshop – Die Digitalisierungsreise

Bildquelle: Berlin Digital Group


13. Juni 2022 | Von Diethard Bühler, Nele Karsten, Timon Kwade

Bei schnellem Wachstum treten in Unternehmen häufig Kommunikationsprobleme in abteilungsübergreifenden Abstimmungen auf. Oftmals liegt dies daran, dass Zuständigkeiten und Prozesse nicht flexibel genug an neue Situationen angepasst werden. Zur optimalen Nachjustierung wichtiger Stellschrauben können verschiedene digitale Werkzeuge genutzt werden.

Über eine gemeinsame “Digitalisierungsreise“ erschlossen sich die Vertreter der Alutrim Europe GmbH neue digitale Ansätze zu nutzen und diese auf die eigenen Bedürfnisse zuzuschneiden. Die von der Berlin Digital Group (BDG) entwickelte Methode hilft Unternehmen, Orientierung zu gewinnen und die richtigen Wege zu beschreiten – bei gleichzeitiger aktiver Einbindung der Beschäftigten. 

Die Alutrim Europe GmbH aus Kyritz in Brandenburg ist ein Automobilzulieferer, der sich vor allem auf die Herstellung von Zierteilen aus Echtmetall und die Premium-Interieur-Ausstattung fokussiert hat. Der Grundstein für das heutige Unternehmen wurde 2012 durch den Zusammenschluss eines traditionsreichen Kyritzer Werkzeugbauunternehmens mit einem chinesischen Automobilzulieferer gelegt. In den vergangenen sieben Jahren ist das Unternehmen rasant gewachsen: Bei einer Verachtfachung des Umsatzes stieg die Mitarbeiter*innenzahl von anfänglich 50 auf die aktuelle Belegschaft mit heute 170 Beschäftigten (Sept. 2021).

Im Rahmen ihres Wachstumsprozesses konnte sich die Alutrim Europe GmbH erfolgreich als einer der Marktführer für automobile Echtmetallzierteile im Premiumsegment platzieren. Mittelfristig will sich das Unternehmen aber auch in andere Branchen hinein entwickeln. Dabei vertraut man insbesondere auf die Kompetenzen der eigenen Entwicklungsabteilung in Lindau am Bodensee sowie auf das hochspezialisierte Fertigungs-Knowhow am hauseigenen Produktionsstandort Kyritz. Vor allem die technisch und handwerklich anspruchsvolle Herstellung anspruchsvoller Aluminium-Zierteile ist ein starker Wettbewerbsvorteil.

Die große Herausforderung: Durch das starke Unternehmenswachstum und den Zugewinn vieler neuer Kolleg*innen haben sich auch die internen Kommunikationswege, Zuständigkeiten und Abläufe nachhaltig verändert. Zum Teil sind mit der Schaffung zusätzlicher Abteilungen auch neue Kommunikations- und Prozesslücken entstanden, die ein durchgängiges Prozessmanagement erheblich erschweren. Während die „alten Hasen“ im Unternehmen gern auf Altbekanntes zurückgreifen, suchen „die Neuen“ nach zukunftsfähigen Strukturen, und am Ende fehlen insgesamt abteilungsübergreifende Abstimmungen, die zu Doppelarbeiten und Verzögerungen und damit zu noch höherer Arbeitsbelastung führen.

Unter diesen Gegebenheiten entstehen schnell Missverständnisse und Informationsdefizite, die die Vorfertigung und Produktion derart belasten, dass zu wenig Zeit für die Entwicklung neuer Produkte bleibt – ein wichtiges Ziel der Alutrim Europe GmbH. Insgesamt erweisen sich die bestehenden Prozesse noch als zu störanfällig und ungenau, um einem starken Innovationsschub standzuhalten. Zusätzlich zeigt die Menge an zeitkritischen Kund:innenaufträgen schon jetzt die Kapazitätsgrenzen von Entwicklungsabteilung und Werkzeugbau auf.

Zusammenarbeit und Kommunikation digital gestalten!

Ziel des Unternehmens war, die interne Kommunikation zu stärken und damit auch die zukünftige Unternehmensentwicklung und ein fortgesetztes Wachstum abzusichern.

„Wir haben viele Kundenaufträge und kommen teils kaum hinterher, obwohl wir schon durchgehend im 3-Schicht-Betrieb arbeiten. Wir müssen aber in jedem Fall liefern, auch um Vertragsstrafen zu vermeiden. Wir können also nicht pausieren oder anhalten. Neue Entwicklungen werden oft stark verzögert.“

Lutz Klinkner, Managing Director Alutrim Europe GmbH

Im Wesentlichen geht es also um die Frage, wie sich die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit besser und digitalisierungsgerecht gestalten ließe. Damit einher geht die notwendige Diskussion des Verständnisses von Rollen und Verantwortlichkeiten. Vor allem für diese Themen sollen skalierbare digitale Ansätze und Lösungen identifiziert werden. Und – dieser Punkt war und ist der Geschäftsführung besonders wichtig – bei allen einzelnen Schritten soll die ganze Belegschaft „mitgenommen“ werden, um die positive Grundstimmung und die enge Verbundenheit mit der Alutrim Europe GmbH weiterhin zu bestärken.

Auch wenn der Veränderungsbedarf täglich spürbar ist, sieht die Geschäftsführung massive Probleme auf dem Weg zu nachhaltiger Veränderung. Eine der größten Hürden dafür liegt paradoxerweise in der hervorragenden Auftragslage, die die Produktion unter dem Druck von Lieferfristen und drohenden Konventionalstrafen bis an ihre Kapazitätsgrenzen treibt und keine Arbeitsunterbrechung zulässt. Symptomatisch hierfür berichtet Geschäftsführer Klinkner:

Ich habe seit drei Wochen eine neue Maschine herumstehen, kann sie aber nicht einbauen, da die Fertigung nicht stillstehen darf.“

In einem Workshop erarbeiteten die Alutrim-Mitarbeiter*innen viele sinnvolle, gut realisierbare und zum Teil leicht umsetzbare Maßnahmen, die es in einem zweiten Schritt zu priorisieren galt. Um frühzeitig zu konkretisieren, wurden für die folgenden Schritte umgehend Umsetzungsfristen und Verantwortlichkeiten festgelegt:

  • Bildung eines abteilungsübergreifenden Teams aus den Bereichen Produktion, Werkzeugbau und Qualitätssicherung, das sich ausschließlich um die Umsetzung einer Vorserie kümmert und den gesamten Prozess verantwortet.
  • Bestehende Prozesse sollen in regelmäßigen Terminen der Abteilungsleiter überprüft und überarbeitet werden, um den sich verändernden Bedingungen und höheren Anforderungen weiterhin gerecht werden zu können und Transparenz in der gesamten Prozesslandschaft zu erreichen.
  • Eingeschlafene Meeting-Strukturen wiederbeleben (auch digital über die Standorte hinweg), um den Austausch zu fördern und über direkte Kommunikationswege Lösungen zu finden.
  • Die Einführung eines übergreifenden Datenbanktools sowie einer übergreifenden Kommunikationsplattform als technische Unterstützung eines kontinuierlichen abteilungsübergreifenden Austausches. 
Alle Teilnehmer bewerteten mit Klebepunkten die Wichtigkeit der verschiedenen Lösungsansätze, so dass am Ende noch im Workshop eine priorisierte Rangfolge der Maßnahmen entstand
Alle Teilnehmer:innen bewerteten mit Klebepunkten die Wichtigkeit der verschiedenen Lösungsansätze, so dass am Ende noch im Workshop eine priorisierte Rangfolge der Maßnahmen entstand.

Mit den beschlossenen und zum Teil direkt nach dem Workshop umgesetzten Maßnahmen ist die Alutrim Europe GmbH dem Ziel eines geregelten, digital unterstützten Wachstums ein Stück nähergekommen. Sie ist sich ihrer Probleme und Konfliktfelder bewusst geworden und hat im Team neue Möglichkeiten entdeckt, um lösungsorientiert zu arbeiten. Mit dieser Erfahrung will sie künftig deutlich früher handeln und den Weg überschaubarer Veränderungsschritte gehen – jeder einzelne ein Garant für ein gesundes Wachstum, an dem sich alle Mitarbeiter:innen aktiv beteiligen können und von dem langfristig alle profitieren werden.

Wichtig dabei war, sich nicht zu viele neue Lösungsansätze auf einmal vorzunehmen, sondern die Herausforderungen zu priorisieren und einzeln anzugehen. Entscheidend hierfür war die klare Verpflichtung und das Engagement der Geschäftsführung. Noch im Workshop selbst wurden Verantwortliche für die Top-priorisierten Maßnahmen sowie Fristen vereinbart. Hierbei wurde sich zunächst auf so genannte „Quick Wins“ konzentriert – also kleine und schnell umsetzbare Veränderungsschritte. Auf diese Weise müssen auch bei extrem angespannter Auftragslage die Produktionsprozesse nicht unnötig belastet werden und können sich auch zukünftig nachhaltige Erfolgserlebnisse einstellen. 

Das Unternehmen empfand es als hilfreich, sich nach dem Workshop mit externen Expert*innen auszutauschen, um die gewonnenen Eindrücke zu reflektieren und nach und nach auch die weiteren identifizierten Themen anzugehen. Dazu gehört auch, Führungskräfte in ihrer neuen Rolle zu coachen.

Do’s und Don’ts

  • Belegschaft aktiv in Unternehmensveränderung einbeziehen
  • Praxisorientierte Methoden verwenden
  • Wachstumsschmerzen zur richtigen Zeit erkennen und ernst nehmen
  • Prozesse in regelmäßigen Abständen überarbeiten und neuen Gegebenheiten anpassen
  • Kommunikationskanäle analysieren, erneuern und digitalisieren
  • Digitale Datenübertragung zwischen den Abteilungen
  • Beschäftigte bei Prozessüberarbeitungen beteiligen
  • Verantwortlichkeiten in allen Prozessschritten festlegen und für alle transparent machen
  • Schulungen sowie Coachings für junge Führungskräfte

  • Sich Grenzen bei der Ideenentwicklung setzen, Überforderung vermeiden
  • Komplexe Methoden, die Vorkenntnisse erfordern, verwenden
  • Wachstumsschmerzen ignorieren und bestehende Strukturen beibehalten
  • Reine Top-Down Entscheidungen bezogen auf digitale Tools und Prozessanpassungen
  • Bei großem Personalwachstum auf geeignete Maßnahmen zum „Onboarding“ achten und regelmäßig Schulungen anbieten – inklusive Coachings für neue Führungskräfte

Kontaktmöglichkeit

Nele Karsten - in Elternzeit

nele.karsten@businessschool-berlin.de

+49 331 / 730404 - 304

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