KI und Unternehmenskultur: Ohne Vertrauen geht es nicht


9. Oktober 2023 | Von Holger Schneider

Neue digitale Technologien im Unternehmen erfolgreich einsetzen – das klingt vielversprechend und man könnte denken, dass dies schnell getan ist. Die Technologie kaufen und in bestehende Strukturen einbetten, den Mitarbeiter*innen die Nutzung erklären und los geht es! Doch so einfach ist es nicht, wenn es um KI und Unternehmenskultur geht. Der Erfolg des Einsatzes neuer Technologien hängt entscheidend davon ab, ob die Mitarbeiter*innen Vertrauen darin haben und auch in sich selbst, die Technologien zu nutzen.

Schnell stellt sich die Frage: Wie kann dieses Vertrauen aufgebaut werden? Aber auch die Frage: Was passiert, wenn es nicht nur um den bloßen Umgang mit KI geht, sondern wenn die KI-Anwendungen Informationen „eigenhändig“ so weiterverarbeiten können, dass per maschinellem Lernen konkrete Arbeitsschritte abgeleitet werden? Was passiert, wenn diese Schritte von den Maschinen auch selbst durchgeführt werden können?

Künstliche Intelligenz einsetzen: Vertrauen muss erst aufgebaut werden

Keine Frage: Mit der Nutzung von KI haben wir es mit einer einschneidenden Technologietransformation in den Unternehmen zu tun. Dass damit zwangsläufig auch massive Veränderungen in der Organisation und den Prozessabläufen einhergehen, ist die eigentliche Herausforderung für Unternehmen.  

Wie kann die Unternehmenskultur nun dabei helfen, diese Veränderungen zu bewältigen? Eine zentrale Frage ist, wie Mitarbeiter*innen den Einsatz von KI und die dadurch entstehenden Veränderungen bewerten. Wird es als Chance oder Risiko für den eigenen Arbeitsplatz betrachtet? Ebenfalls wichtig ist die Frage, wie bei den Mitarbeiter*innen Akzeptanz oder sogar Begeisterung für den KI-Einsatz generiert werden kann.

Wodurch entsteht Vertrauen?

Vertrauen für die Nutzung von KI aufzubauen, fällt nicht mit dem Satz „Wir machen jetzt KI – das hilft uns bei der Arbeit“ vom Himmel. Vertrauen aufzubauen ist umfangreicher. Wie kann dies also gelingen?

Bereits im Vorfeld Vertrauen zu KI aufbauen

Wer als Unternehmen bereits bei der digitalen Transformation dafür gesorgt hat, dass die Mitarbeiter*innen frühzeitig auf Veränderungen eingestellt wurden, hat bereits den Grundstein für ein Verständnis in Bezug auf technogisch getriebene Veränderungen gelegt. Aber auch, wenn das nicht so ist: Wer einen KI-Einsatz plant, sollte die mit der KI-Nutzung einhergehenden Veränderungen bereits im Vorfeld mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf an die Mitarbeiter*innen klar kommunizieren. So kann bereits zu Beginn Vertrauen geschaffen werden.

Welche Probleme soll KI lösen?

Welche Probleme überhaupt mit Hilfe von KI gelöst werden sollen, ist ein zentrales Kriterium, das im Vorfeld vor einer Einführung zwingend unternehmensindividuell geklärt werden muss. Ein Chatbot kann bei der Ansprache von Kund*innen gerade bei stereotypen Anfragen unterstützen. Übersetzungshilfen wie Deepl und andere Programme können fremdsprachige Texte inzwischen auf einem gut lesbaren Level ins Deutsche übertragen.

Doch schon hier fängt das Aufbauen von Vertrauen seitens der Mitarbeiter*innen in die KI und auch in die Entscheidungen der Führungsebene bezüglich des KI-Themas an. Mitarbeiter*innen bei der Entscheidungsfindung miteinzubeziehen ist wichtig, um Transparenz und Vertrauen zu schaffen.  Hier kann es z. B. darum gehen, welche Abteilungen, Prozesse und Abläufe durch KI vereinfacht, optimiert oder übernommen werden können. Natürlich ist die Entscheidung darüber, welche Mitarbeiter*innen, Arbeitsgruppen und Gremien miteinbezogen werden sollen, keine einfache und benötigt Überlegung. Sollten Sie sich entschieden haben, die Mitarbeiter*innen einzubeziehen, so kann dafür schon das klassische Brainstorming geeignet sein. Eine ernsthafte Einbeziehung sorgt nicht nur für Vertrauen, sondern ist auch ökonomisch sinnvoll. Wissen kann so effektiv genutzt werden.

Wichtig aber ist, die Problemstellung selbst so konkret wie möglich zu formulieren. Geht es um Durchlaufzeiten von Produktionsprozessen? Oder darum, unsere Kund*innen bestmöglich zu erreichen? Unklarheit über diese Ziele schafft Unmut – nicht nur bei Ihrer Belegschaft, sondern letztlich auch bei Ihnen.

Ziele für KI-Einsatz formulieren

Ihre KI-Ziele können Sie gemäß der sogenannten SMART-Methode formulieren. Kurz gesagt, Ziele müssen spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert sein:

  • Spezifisch: Ziele sollten so konkret und spezifisch wie möglich formuliert sein.
  • Messbar: Messgrößen sollten qualitativ und quantitativ so genau es geht beschrieben werden.
  • Attraktiv: Ziele sollten bei Mitarbeiter*innen für sie erkennbare Vorteile bringen und die Freude vermitteln, die Ziele auch zu erreichen.
  • Realistisch: Auch wenn die Ziele ambitioniert sind, ist die Machbarkeit unter den gegebenen Umständen das A und O.
  • Terminiert: Ein Termin muss festgesetzt sein, wann was zu erledigen ist, um das Ziel zu erreichen.

Mitarbeiter*innen in ihren Funktionen abholen

Idealerweise sollte im Unternehmen zumindest ein grundlegender Wissensstand über KI allgemein bei der Belegschaft vorhanden sein. Speziell hilfreich wird es aber sein, die Mitarbeiter*innen beim Einsatz von KI in ihren konkreten Funktionen abzuholen und genau dafür ausreichend Zeit für Testmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. An dieser Stelle nicht zu sparen, ist ratsam, damit die Mitarbeiter*innen einen fundierten Eindruck darüber bekommen, wo ihnen die KI hilft.

Vertrauen in den Prozessen aufbauen

KI-Anwendungen testen und zeigen

Entscheidender Vorteil wird sein, bei den KI-gestützten Anwendungen genau darzustellen, was die KI in den einzelnen Prozessen genau kann. Wie kann die Arbeit erleichtert werden? In welchen Prozessen kann Arbeit entfallen? Bei schwergängigen Prozessen kann das für Dankbarkeit sorgen. Inwieweit letztlich Erleichterung oder Empörung in der Belegschaft die Konsequenz ist, ist zuweilen sicher auch ein schmaler Grat. Deshalb ist es empfehlenswert, auch aufzuzeigen, wo bei KI die Grenzen gezogen werden, damit sich die Mitarbeiter*innen nicht obsolet, unter Druck gesetzt oder kontrolliert fühlen müssen.  

Betroffene Prozesse beschreiben

Weiß man erst einmal in etwa, wohin die Reise in Richtung KI gehen soll, so gilt es frühestmöglich, auch den Mitarbeiter*innen klar zu kommunizieren, welche Unternehmensbereiche und Prozesse betroffen sind. Beispiele hierfür können sein:

  • Prozessautomation, bspw. in der Produktion
  • Betrieb und Wartung
  • Training und Coaching
  • Kund*innenansprache , z. B. über personalisierte Werbung oder virtuelle KI-Assistent*innen auf Webseiten (Chatbots)
  • Sprachassistenten
  • Tracking von Objekten
  • Finanzplanung & Budgetierung

Sicherlich hilft es bei der Kommunikation, Gründe und vor allem die Vorteile der KI-Nutzung für die Mitarbeiter*innen darzustellen. Argumente wie die Vermeidung von vielen Abstimmungen und Meetings oder die Möglichkeit, lästige und repetitive Aufgaben von der KI übernehmen zu lassen, können wahrscheinlich einige Mitarbeiter*innen überzeugen. Jedoch ist es mindestens genauso wichtig, den Mitarbeiter*innen zu verdeutlichen, dass die von ihnen geleistete Arbeit wertvoll und sinnstiftend ist und dass das Unternehmen alles dafür tut, dass der Arbeitsplatz nicht durch die KI wegfällt.

Effekte von KI auf die Unternehmenskultur

Arbeitsmoral: Je repetitiver und weniger fordernd Aufgaben bei der Arbeit sind, desto schneller sind Mitarbeiter*innen gelangweilt. Mit der Zeit kann sich so eine negative Arbeitsmoral entwickeln. Wenn KI sich wiederholende oder wenig fordernde Aufgaben übernimmt, besteht die Chance für Mitarbeiter*innen, sich an anderer Stelle freier zu entfalten, kreative Impulse und Ideen zu entwickeln. Dann freuen sie sich auch wieder auf ihre Aufgaben.

Zusammenarbeit: Das Berichtswesen oder die Aufbereitung von Analysen, das Erstellen von Präsentationen oder die Bearbeitung von Notizen: KI-Systeme können dies inzwischen übernehmen. Die Mitarbeiter*innen können sich bei der Vorbereitung auf Veranstaltungen oder Gespräche auf die Problemlösung oder Ideenfindung konzentrieren.

Rollenklarheit: Bei der Einführung von KI muss klar sein, wer welche Aufgaben übernimmt und wo die KI hier unterstützt. Möglicherweise kommen dadurch sogar neue Aufgaben hinzu. Teams, die mit KI arbeiten, setzen sich intensiver mit ihren (kreativen) Rollen auseinander und schaffen so Klarheit für effiziente Zusammenarbeit.

Kollektives Lernen: Nicht nur die KI lernt aus den von Menschen zur Verfügung gestellten Daten, die Menschen lernen ihrerseits aus den Schlussfolgerungen der KI. Die Interaktion zwischen Mensch und Maschine funktioniert so als schrittweiser Optimierungsprozess.

Fazit: KI kann Vertrauen schaffen

Ein erfolgreicher Einsatz von KI hängt also eng damit zusammen, wie die Mitarbeiter*innen gegenüber der Nutzung KI-gestützter Anwendungen eingestellt sind. Das bedingt natürlich, dass eine KI (zumindest nahezu) fehlerfrei arbeitet. Da ein solches Mindset Ergebnis der vorhandenen Unternehmenskultur ist, lohnt sich ein vertiefender Blick dahin, wie dieses in einem Unternehmen auch gelebt werden kann. Eine frühzeitige Einbeziehung der Mitarbeiter*innen, eine möglichst transparente und vollumfängliche Kommunikation über Vor- und Nachteile sowie über notwendige Veränderungen durch die KI-Nutzung und letztlich auch das Ausprobieren und Testen vom Arbeitsalltag mit der KI-Nutzung durch die Mitarbeiter*innen kann dann als entscheidende Basis zum Vertrauensaufbau in die Technologie wirken.

„Je ferner einem persönlich ein System ist, desto größer ist die Angst“, sagt Michael Widowitz von der Boston Consulting Group. Unter der Voraussetzung, dass die Ängste und Sorgen der Mitarbeiter*innen in den Unternehmen ernst genommen werden und die Chancen und Potenziale eines KI-Einsatzes transparent gemacht werden, kann KI einen maßgeblichen Beitrag zur Vertrauensbildung leisten. Wenn das so ist, geht es um weit mehr als nur die Tatsache, dass Arbeiten erleichtert oder abgenommen werden, um das Potenzial der Mitarbeiter*innen anderweitig einzusetzen.

Es gilt, die Chance zu nutzen, Arbeitsmoral, Teamkultur und gemeinsames Lernen in den Unternehmen zu stärken. Entscheidend ist letztlich, dass die Veränderungen, die KI für die Mitarbeiter*innen mit sich bringt, mitgetragen werden (können). Das geht sicherlich nicht unbedingt von heute auf morgen. Ein schrittweises Vorgehen ist hier gewiss empfehlenswert. Dann stehen die Chancen gut, dass sich die Mitarbeiter*innen auf KI auch einlassen und gern mit KI zu arbeiten beginnen. Die Entscheidung, in KI zu investieren, fällt dann umso leichter.  

Und eins ist übrigens sicher: KI wird die Unternehmenskultur nicht ersetzen!

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