Netzkultur: Was Kund*innen von der Onlinekommunikation eines KMU erwarten

Zeichnung von Personen, die zusammenstehen und sich unterhalten


31. Oktober 2023 | Von Thomas Pleil

Das kennen wir alle: Wir besuchen die Website eines Unternehmens und sind peinlich berührt. Dann scrollen wir durch Instagram und denken: „Mensch, dieses Reel eines Werkzeugbauers ist überraschend witzig!“ Wie kommt das? Abgesehen von handwerklichen Unterschieden: Das Verständnis von Netzkultur spielt eine große Rolle!

In diesem Artikel schauen wir deshalb, wie Netzkultur und die Kommunikation von kleinen und mittlere Unternehmen (KMU) zusammenhängen und wo ein Bezug zur Unternehmenskultur besteht.

Was ist eine Netzkultur?

Netzkultur? Sind das nicht Memes, irgendwelche animierten GIFs oder Emoijs? Ja, auch. Sie sind Beispiele für Netzkultur. Und „Kultur“ bedeutet natürlich: Vielfalt und Kreativität statt fester Regeln oder „richtig“ und „falsch“. Jetzt könnten Sie natürlich sagen: „Memes und Emotijs finde ich ganz schrecklich, warum sollte ich mich mit Netzkultur beschäftigten?“ 

Darum ist die Netzkultur für ein Unternehmen wichtig:

  1. Sie planen Ihre Onlinekommunikation nicht für sich, sondern für Ihre Zielgruppen. Da ist sinnvoll, zu verstehen, wie diese ticken und welche Erwartungen und Konventionen sie in der digitalen Kommunikation haben.
  2. Netzkultur ist mehr als Memes und Emojis. Netzkultur ist die Kultur der Kommunikation im Digitalen insgesamt – also die Art des Umgangs miteinander.

Was also gehört zur Netzkultur?

Beispiele sind der Umgang mit Identitäten (Treten Mitarbeitende mit Namen oder anonym auf?), der Erreichbarkeit oder die Suche nach einer digitalen Etikette, also einer Netiquette. Bei letzterer handelt es sich also um Benimmregeln im digitalen Raum. Natürlich erleben wir sehr häufig in den sozialen Medien, dass viele Menschen gerade hierauf sehr wenig geben. Doch wenn man genauer hinschaut, gibt es viele Bereiche, in denen das recht gut funktioniert. Nehmen wir zum Beispiel gut moderierte Communities zu spezifischen Themen. Und vor allem: Gerade an Unternehmen gibt es klare Erwartungen an den Charakter und die Qualität der Kommunikation im Netz. Nur werden diese mal mehr, mal weniger deutlich ausgesprochen, schwingen aber in der Onlinekommunikation immer mit. Unternehmen sollten also die Kultur der digitalen Umgebungen, in denen sie sich bewegen, verstehen. Außerdem sie sollten für ihre Beschäftigten eine Netiquette entwickeln und so z.B. festlegen, welche Regeln für die Kommunikation mit Kund*innen per Mail, in Communities oder sozialen Medien gelten.

Netzkultur: Was wird von Unternehmen erwartet?

Natürlich variieren die Erwartungen an die Kommunikation von Unternehmen je nach Zusammenhang und Community etwas. Aber ein paar solch üblicher Erwartungen an Unternehmen im Internet lassen sich beispielhaft formulieren:

  • Transparenz:
    Es ist absolut verpönt, dass man sich als Vertreter*in eines Unternehmens an Diskussionen beteiligt, ohne die eigene Rolle erkennbar zu machen.
  • Kritikfähigkeit:
    Es wird erwartet, dass Unternehmen mit Kritik umgehen können (z.B. in Rezensionen) und in der Lage sind, hierauf souverän zu reagieren.
  • Geschwindigkeit:
    Ein Unternehmen, das auf Online-Anfragen nicht bzw. nicht zügig antwortet, erfüllt ebenfalls die Erwartungen nicht.
  • Sprache und Erzählungen:
    Jede Szene entwickelt ihre eigenen Begriffe, ihre Tonalität und verbindende Geschichten. Manche finden Ausdruck in Memes, andere in Hashtags, in Soundschnipseln oder Bildmotiven. Für Unternehmen bedeutet dies eine Gratwanderung: Ein souveräner Umgang damit kann viel Respekt schaffen und helfen, eine Community rund um das Unternehmen zu schaffen, während eine bemühte Aneignung als peinlich betrachtet werden kann. Beides – Chancen und Risiken – zeigt sich besonders in sozialen Medien.
  • Menschen statt Institutionen:
    Menschen vertrauen Menschen. Und gerade unter intensiven Onlinenutzer*innen ist das Misstrauen gegenüber unpersönlichen Institutionen oder Marken groß. Das bedeutet zum Beispiel, dass sich ein Unternehmen viel stärker bemühen muss, mit einem Firmenaccount in einem sozialen Netzwerk Vertrauen aufzubauen, den richtigen Ton zu treffen und vor allem für die Zielgruppen interessante Themen zu veröffentlichen. Strategien wie Storytelling oder Menschen hinter einer Marke sichtbar zu machen, können dabei unterstützen.

Unsere Tipps in Sachen Netzkultur

Beispiele für Netzkultur ließen sich um viele weitere ergänzen. Sie zeigen: Für Unternehmen ist wichtig, dass sie ihre Onlinekommunikation bzw. ihr Online-Marketing auf einem Verständnis der Zielgruppen und ihrer Erwartungen und Konventionen aufbauen. Wir empfehlen KMU deshalb beispielsweise, genug Zeit ins Zielgruppenverständnis zu stecken. 

Bewusst machen sollte man sich zudem, dass auch in vielen Kommunikationskanälen eigene Konventionen gelten. Vergleicht man TikTok, LinkedIn und ein Forum für junge Eltern, wird schnell klar: Wie in der analogen Welt gibt es zwar universelle Werte, aber in jedem Umfeld auch eigene Kulturen.

Und hier kommen nun Unternehmen ins Spiel: Jedes Unternehmen wiederum hat seine eigene Unternehmenskultur. Die jedoch ist oft ganz anders geprägt als die Netzkultur. So möchten manche Unternehmen zum Beispiel die Kontrolle über die Kommunikation sicherstellen und brauchen selbst für einen Tweet einen vielstufigen Freigabeprozess. Oder sie neigen dazu, immer nur zu erzählen, wie toll ihre Produkte sind und langweilen damit ihre Zielgruppen. Oder sie geben sich verschlossen und unpersönlich, verwenden eine bürokratische Sprache oder löschen einfach unliebsame Kommentare.

Das bedeutet: Die Unternehmenskultur und die Netzkultur passen unter Umständen nicht zusammen. Und das kann sich als Bremse herausstellen – während ein Unternehmen, das die Netzkultur antizipiert, vielleicht positiv überrascht und so zum Beispiel für Nachwuchskräfte attraktiv wird. 

Doch wie kann man nun aus Unternehmenssicht mit Netzkultur umgehen?

Drei Fragen zum Einstieg können hier helfen:

  • Was nervt die Nutzer*innen?
  • Was erwarten sie?
  • Was überrascht sie? 

Dabei empfehlen wir, neben den üblichen Zielgruppenanalysen (z.B. mit der Persona-Methode) auch die jeweilige digitale Umgebung, in der man aktiv werden möchte, z.B. TikTok oder LinkedIn, genauer anzuschauen und sich zum Beispiel bewusst zu machen, welche Tonalität oder Bildsprache dort typisch sind. Auch wer zum Beispiel eine Kunden-Community starten möchte, sollte sich genau mit den Erwartungen an gutes Community-Management auseinandersetzen.

Im nächsten Schritt sollte man sich klar machen, inwieweit die Konventionen im eigenen Unternehmen hierzu passen und wie mit möglichen Widersprüchen umgegangen werden soll. So war es zum Beispiel bis vor kurzem für viele Unternehmen undenkbar, von der Siez-Kultur abzuweichen – während in vielen Bereichen der Netzkultur die Duz-Kultur selbstverständlich ist. Auch die typische Lockerheit und Selbstironie auf TikTok passen nicht zu jedem Betrieb. Insofern gilt: Lassen sich Widersprüche zwischen Unternehmenskultur und Netzkultur nicht auflösen, so kann sinnvoll sein, von einer Kommunikationsmaßnahme Abstand zu nehmen. Entdeckt man dagegen keine zu großen Probleme, sollten Abläufe und Strategien für die langfristige Onlinekommunikation entwickelt werden, die auf das Verständnis der Netzkultur aufbauen. Auf dieser Grundlage können Sie bei Ihren Zielgruppen für positive Überraschungen sorgen und Ihr Unternehmen bleibt in guter Erinnerung.

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