An Tag 4 unserer Reise in die Kreislaufwirtschaft besuchten wir den
Energie Campus in Nürnberg. An diesem Ort wirkt die TH Nürnberg mit anderen Forschungspartner*innen und Unternehmen als einer der zentralen Innovationsmotoren der bayrischen Wirtschaft.
Zu Gast beim Mittelstand-Digital Zentrum Franken lernten die Teilnehmenden die Bedeutung von Erfindergeist und Start-Up-Mentalität für die Kreislaufwirtschaft kennen. Das große Potenzial von Geschäftsmodellinnovation zeigten gleich mehrere Start-Ups und es gab viel Raum für neue Kontakte und Perspektiven.
Begrüßung und Input
Die Teilnehmenden wurden auf dem Energie Campus herzlich empfangen und hörten nach der Begrüßung einen inspirierenden Vortrag des Gastgebers Professor Dr. Frank Ebinger (Professor für Nachhaltigkeitsorientiertes Innovations- und Transformationsmanagement an der TH Nürnberg).
Innovationsansätze in der Kreislaufwirtschaft
In seiner Keynote erläuterte er die Grundlagen für erfolgreiche Innovationen in der Kreislaufwirtschaft. Er betonte, wie wichtig es für Unternehmen sei, den politischen Kontext zu verstehen, in dem diese neue Wirtschaftsform entstehe – ein wesentlicher Teil des Europäischen Green Deals. Darüber hinaus erläuterte er, wie eng Klimaschutz und Energiewende mit der Ressourceneffizienz und -schonung verknüpft seien.
Zudem skizzierte er, wie das Modell der zirkulären Wertschöpfung entstand und machte deutlich, dass einfaches Recycling nicht zielführend sei. Vielmehr müssten Wirtschaft und Industrie die biologischen und technischen Kreisläufe und Potenziale berücksichtigen. Ein wichtiger Ansatz hierbei sei die Komplexitätsreduktion von Produkten, um deren Langlebigkeit, Trennbarkeit, Reparatur- und Recyclingfähigkeit zu verbessern.
Anstöße für Innovationen können aus dem Markt, der Politik oder der Öffentlichkeit kommen. Dabei identifizierte Prof. Ebinger vier Handlungsfelder: Prozessinnovation, Produktinnovation, Neugestaltung von Produkt- bzw. Nutzungssystemen sowie das Design von ganzen Systemen.
Die Kreislaufwirtschaft ist nicht alleine machbar – wir brauchen Innovationskooperationen.
Prof. Dr. Frank Ebinger, Mittelstand-Digital Zentrum Franken / TH Nürnberg
Am Beispiel von Erstausrüstern (Original Equipment Manufacturer, kurz OEM) zeigte Ebinger, dass den kleinen Firmen, den Zulieferern, zunehmend eine größere Bedeutung zukomme, da in Wertschöpfungsnetzwerken die Fertigungstiefe abnehme. Bei dem Management von nachhaltigen Wertketten spiele die Digitalisierung eine zentrale Rolle.
Die komplette Keynote von Professor Dr. Frank Ebinger findet Ihr bald hier in einem Video:
Start-Up-Mentalität als Innovationsmotor
In zwei Vorträgen durften wir gleich zwei beeindruckende Start-Ups kennenlernen:
Wiederaufbereitung – ein Start-Up im Fokus
Tillmann Durth von Panelretter rettet mit seinem Start-up alte Solarpanele und gibt ihnen nach der Wiederaufbereitung als Balkonkraftwerke ein zweites Leben. Er nahm uns mit auf die gedankliche Reise, warum diese Innovation so wichtig ist für die Umwelt: Er sagte, dass über 800.000 Panele jedes Jahr vom Netz genommen werden, obwohl sie in den meisten Fällen ihr Lebensende nicht erreicht hätten. Bei einer halben Tonne Kohle, die häufig für die Stromerzeugung bzw. die Fertigung eines Panels in China benötigt wird, wurde den Teilnehmenden der Nutzen eindrücklich: Wenn ein Solarmodul seine mögliche Lebensdauer von 20, 25, bis zu 40 Jahren ausschöpft, wird hier ein großer Wert geschaffen.
Spannend fanden wir auch, dass dieses Geschäftsmodell sehr smart eine Marktnische nutzt und seitens des Start-Ups vor allem das Know-how und die Prozessorganisation den Kern des Geschäftsmodells ausmachen. Durch gezielte Kooperationen, u.a. mit Rücknahmepartnern und Messunternehmen, die verbleibende Leistungen der Module prüfen, haben sie es geschafft, in sehr kurzer Zeit marktfähig zu werden.
Die Vorstellung von Panelretter findet Ihr im folgenden Video:
Nachhaltige Geschenkideen aus dem 3D-Drucker
Das zweite Start-Up reThing kommt aus dem wissenschaftlichen Umfeld und hat sich nach einem gewonnenen Gründerwettbewerb an der TH Nürnberg 2023 ausgegründet. Sie wollen mit ihren Produkten erstens eine Antwort auf die Überforderung bei der Suche nach sinnvollen Geschenken zu Feiertagen sein und gleichzeitig nicht zur wachsenden Vermüllung z.B. durch Plastikprodukte beitragen. So entwickelte Hendrik Dietrich mit seinen Co-Gründern die „Zweinachtskugel“, die aus heimkompostierbarem Filament 3D-gedruckt wird und die zudem für einen zweiten Nutzen z.B. Saatgut für Küchenkräuter enthält.
Das Start-Up legt großen Wert auf die Individualisierbarkeit seiner Produkte. Die Kundschaft hat die Möglichkeit, nicht nur die Form der Kugel, sondern auch die Art des enthaltenen Saatguts nach ihren persönlichen Vorlieben auszuwählen.
Darüber hinaus engagiert sich reThing aktiv in der Wiederverwertung seiner Produktionsabfälle. In Zusammenarbeit mit einem Künstler, der die Produktionsreste in Kunstwerke verwandelt, erweitert das Unternehmen seine ökologische Initiative. Diese Kunstwerke verkörpern nicht nur die kreative Wiederverwendung von Materialien, sondern auch das Engagement von reThing, jeglichen Abfall zu minimieren und zusätzlichen Wert zu schaffen.
Diese Ansätze spiegeln das Kernziel von reThing wider: Innovation durch Nachhaltigkeit. Wobei jedes Element des Produktionsprozesses darauf ausgerichtet ist, Umwelteinflüsse zu minimieren und die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben.
Weitere Informationen zum Produkt und Start-up findet Ihr in folgendem Video:
Diskussionsrunde zur Rolle des Mittelstands
Nach den Vorträgen hatten die Teilnehmenden und auch wir einige Fragen im Kopf. Der Diskussionsbedarf wurde in einer offenen Diskussionsrunde zwischen den drei Vortragenden gestillt, zu denen sich auch Heinke Schoger von der Sharkbite Innovation GmbH, einer Beratungsagentur für nachhaltige Innovationen, gesellte.
Heinke Schoger stellte fest, dass der Mittelstand über Werte verfügt, die gut zur Circular Economy passen. So hätten kleinere und agilere Unternehmen Nachhaltigkeit im Fokus und ihre Lieferkette im Blick. Zudem seien sie meist näher am Produkt und ihrer Kundschaft. So können sie kreislaufwirtschaftliche Prinzipien im Kerngeschäft viel schneller umsetzen.
Die Wirtschaftstransformation zu einer Circular Economy wird eher über den Mittelstand getrieben, weil hier auch wertvolles Know-how liegt. Großunternehmen sind da meist schwerfälliger.
Heinke Schoger, Sharkbite Innovation GmbH
Vor dem Hintergrund des Produktdesigns verwies Tillmann Durth von Panelretter auf die Bedeutung von Modularität für die Reparierbarkeit von Produkten.
Bei Solarpanelen sind eben häufig nicht die ganzen Panele kaputt, sondern einzelne Zellen. Da gibt es aktuell ein Forschungsprojekt, das sich genau mit diesem modularen Aufbau befasst
Tillmann Durth, Panelretter
Hendrik Dietrich von reThing verwies darüber hinaus auch auf die Möglichkeit nicht nur biologische Materialien als Ausgangsstoffe für neue 3D-gedruckte Produkte zu verwenden, sondern nach Möglichkeit auch ausrangierte alte Produkte als Rohstoff zu nutzen.
Die halbstündige Diskussion drehte sich weiter um das Thema der Aufklärung und des Wissenstransfers zwischen Unternehmen, aber besonders zwischen Unternehmen und Endkunden. So seien Möglichkeiten, Stoffströme entlang der Wertschöpfungskette anders zu gestalten oder Worte wie die Abfallpyramide, oft einfach nicht bekannt.
Die gesamt Diskussionsrunde gibt es hier zum Nachhören:
Exklusivworkshop der Reisegruppe
Die Reisegruppe setzte ihre „Reise in der Reise“ an Tag 4 unter dem Schwerpunkt „OKR Reality Check“ fort. Gemeinsam stellte sich die Reisegruppe der Frage wie ein komplexes Kreislaufwirtschaftsprojekt in einer agilen Projektstruktur zum Erfolg geführt werden kann, während das Tagesgeschäft eines Unternehmens noch in klassischen Organisationsstrukturen durchgeführt wird.
Weitere Infos werden wir nach Ende der Reise in unserem Reisegruppen-Tagebuch veröffentlichen.
Reflexion und Ausblick
Mit neuen Erkenntnissen und reicher Inspiration verlassen wir Nürnberg. Ein herzlicher Dank geht an die Mitarbeitenden des Energie Campus Nürnberg und unsere Kolleginnen und Kollegen vom Mittelstand-Digital-Zentrum Franken für die engagierte und fruchtbare Zusammenarbeit! Die gesammelten Eindrücke und Ideen nehmen wir mit auf die nächsten Stationen unserer Reise: Nächste Woche führt uns unser Weg nach München und Leutkirch, wo neue spannende Erfahrungen auf uns warten!
Kommt mit in die spannende Welt der Kreislaufwirtschaft!
Am 5. Tag unserer Veranstaltungsreihe „Reise in die Kreislaufwirtschaft“ rücken kreislauffähige Geschäftsmodelle ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Wir besuchen das Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg, um zu erkunden, wie Kreislauffähigkeit zu einem bedeutenden Wettbewerbsvorteil avancieren kann. Du erhältst tiefe Einblicke in ausgewählte digitale Technologien, die in den Bereichen Produktion und Logistik eingesetzt werden, und verstehst ihre Bedeutung im Rahmen der Kreislaufwirtschaft. Anhand von konkreten Praxisbeispielen illustrieren wir das Konzept der Refabrikation und dessen Umsetzung.
Tag 6 der Veranstaltungsreihe „Reise in die Kreislaufwirtschaft“ ist dem Thema „Zirkulärer Mittelstand – Made in Germany“ gewidmet. Der Fokus liegt auf der Rolle des deutschen Mittelstands innerhalb der globalen Bestrebungen, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft zu fördern. Die Teilnehmenden erhalten Einblicke in erfolgreiche mittelständische Unternehmen wie zum Beispiel elobau, die zirkuläre Prinzipien effektiv implementiert haben. In Vorträgen und Diskussionen wird beleuchtet, wie diese Unternehmen durch Innovationen Ressourceneffizienz steigern und neue Märkte erschließen, während sie zugleich die Umweltauswirkungen ihrer Produktion reduzieren. Wir freuen uns darauf, diese spannenden Entwicklungen mit Euch zu teilen!
Du möchtest weitere Infos zu unserer Reise in die Kreislaufwirtschaft erhalten? Hier geht es zu den Tagebucheinträgen, dem Programm und den Anmeldungen.