Kündigungsgrund Unternehmenskultur: Gewinnen und halten Sie Ihre Mitarbeitenden

Kündigung


25. September 2023 | Von Thomas Pleil

Der Fachkräftemangel beschäftigt viele Branchen. Einmal gewonnene und eingearbeitete Mitarbeitende sind deshalb sehr wichtig für Unternehmen. Die Bindung von Mitarbeitenden an ein Unternehmen ist daher eine strategische Aufgabe. Dies gilt besonders im Mittelstand, denn in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ist die Fluktuation von Mitarbeitenden meist ohnehin höher als bei Großunternehmen.
Gründe dafür sind: KMU haben oft weniger Aufstiegsmöglichkeiten, eine geringere Vergütung und womöglich schlechtere Arbeitsbedingungen. Natürlich gibt es große Unterschiede zwischen den Branchen – aber in der Tendenz müssen sich KMU oft besonders anstrengen, um Mitarbeitende möglichst lange bei zu sich halten.

Toxische Unternehmenskulturen sind ein größeres Problem als zu geringe Bezahlung

Das hängt nicht am Geld allein. Natürlich: Jede*r möchte fair bezahlt werden, und in Zeiten der Inflation ist dies noch wichtiger geworden. Betrachtet man jedoch Gründe für die Kündigung von Mitarbeitenden, so steht nicht die Unzufriedenheit mit der Bezahlung an erster Stelle, sondern eine große Rolle spielt die Arbeitssituation – gemeint sind damit das Arbeitsklima, fehlende Wertschätzung, Überforderung oder Konflikte mit Vorgesetzten und Kolleg*innen. Typische Probleme sind Mobbing, Diskriminierung oder unterschiedliche Vorstellungen zu Arbeitsweisen. Forschungen zeigen, dass eine toxische Unternehmenskultur eine Kündigung durch Arbeitnehmer*innen um ein Mehrfaches wahrscheinlicher macht als andere Faktoren.

Nun haben kleine und mittlere Unternehmen den großen Vorteil, dass alles überschaubarer ist, man sich kennt und Führungskräfte einen engen Draht zu den Mitarbeiter*innen pflegen können. Dennoch passiert das nicht immer – und in einer für Beschäftigte unangenehmen Arbeitsumgebung können diese sich gerade in KMU hilflos ausgeliefert fühlen. 

Der Kündigungsgrund Unternehmenskultur

Doch was können KMU tun, damit Mitarbeitende nicht kündigen, weil sie sich am Arbeitsplatz unwohl fühlen? Dazu ist zunächst hilfreich, sich mögliche Probleme bewusst zu machen, die zur Kündigung durch Beschäftigte führen können. Hier sind einige Beispiele:

  • Fehlende Wertschätzung: Dies kann auf zwischenmenschlicher Ebene sein, sich aber auch auf Kompetenzen und Wissen von Mitarbeitenden beziehen. Auch Diskriminierung oder Sexismus gehören in diesen Zusammenhang.
  • Schlechtes Arbeitsklima: Ein rauer Ton oder von Führungskräften inszenierte Konkurrenzsituationen sind weder produktiv noch schaffen sie ein angenehmes Arbeitsklima.
  • Mangelhafte Kommunikation: Gute Kommunikation soll verständlich sein, Zusammenhänge deutlich machen und alle gleichermaßen einbinden.
  • Überforderung: Sie kann inhaltlich entstehen, wenn Anleitung fehlt oder regelmäßig Aufgaben vergeben werden, für die Beschäftigte nicht qualifiziert sind. Aber Überforderung kann natürlich auch entstehen, wenn die Aufgaben durch die vorhandene Arbeitskapazität nicht zu bewältigen sind.
  • Fehlende Perspektiven: Gerade in KMU kommt häufig vor, dass Beschäftigte sich im Lauf ihrer Karriere kaum weiterentwickeln können.

All diese Beispiele, die sich problemlos ergänzen ließen, sind eigentlich nicht sehr überraschend. Da sie in vielen Betrieben zur Kündigung führen können, scheinen aber in diesen Firmen entweder ein Bewusstsein dafür zu fehlen oder (und) eine Strategie, um solche Probleme zu vermeiden. 

Mit welchen Strategien binden KMU Mitarbeiter*innen an sich?

Welche strategischen Empfehlungen gibt es gegen den Kündigungsgrund Unternehmenskultur? Der Schlüssel liegt eindeutig in der Wertschätzung. Sie drückt sich aus durch den Umgang miteinander, die Art und Qualität der Kommunikation und dem Aufzeigen beruflicher Perspektiven. Wobei letzteres nicht unbedingt Gehalt und formale Position meint, sondern beispielsweise auch Vertrauen und Verantwortung.

Wertschätzung beginnt dabei ganz einfach: Wenn Vorgesetzte und Kolleg*innen in der Lage sind, sich in eine andere Person hinzuversetzen. Es geht also darum, zu verstehen, wie ein*e Mitarbeiter*in das Unternehmen und die Arbeit dort wahrnimmt und welche Vorstellungen und Wünsche an die Arbeit bestehen. Dazu gehören beispielsweise flexiblere Arbeitszeiten, um die Pflege von Angehörigen oder die Betreuung von Kindern besser organisieren zu können, aber auch inhaltliche Interessen, zu denen jemand mehr lernen möchte.

Entscheidend gegen die Kündigung: den Mitarbeitenden systematisch zuhören

Strategisch bedeutet dies: Unternehmen sollten sich fragen, wie gut und systematisch sie den Mitarbeitenden zuhören. Und ob diese überhaupt das Gefühl haben, dass ihre Meinung gefragt ist und sie eigene Vorstellungen formulieren dürfen. Es hilft dabei jedoch wenig, nur pauschal aufzufordern, Bedürfnisse zu formulieren – dies wird im Alltag untergehen und erweckt den Eindruck, dass das Angebot ohnehin nur eine Floskel ist. 

Ein zweiter strategischer Gedanke ist deshalb zum Beispiel, das erwähnte Zuhören systematisch im Alltag zu verankern. Spontane Mitarbeitergespräche ergeben sich besonders in KMU meist sehr einfach, doch auch regelmäßige und formellere Mitarbeitergespräche spielen eine wichtige Rolle, um die Perspektive von Beschäftigten zu verstehen. Gute Mitarbeitergespräche sind dabei ein Dialog, in dem es nicht nur um Feedback zur Arbeit von Beschäftigten geht, sondern auch darum, wie sie aktuelle Themen im Unternehmen, die Führung etc. wahrnehmen. 

Bei einigen Unternehmen gehört auch zur Kultur, dass Teams regelmäßig über ihre Zusammenarbeit sprechen. Eine Möglichkeit dazu bietet zum Beispiel die Methode Speedback, die Gespräche zwischen zwei Personen aus einem Team (also nicht in der Gruppe) vorsieht, die sich wechselseitig Feedback geben. 

Vor allem größere Unternehmen führen außerdem regelmäßig Mitarbeiterbefragungen durch. Sie entwickeln also Fragebögen, die an alle Beschäftigten ausgegeben werden. Dies kann für KMU ebenfalls sehr interessant sein – denn auch die Anonymität der Befragung kann für die Beschäftigten vorteilhaft sein. Zudem lassen sich bei der Auswertung messbare Ergebnisse erzielen und ggf. über einen längeren Zeitraum vergleichen, wenn derselbe Fragebogen zum Beispiel einmal im Jahr genutzt wird.

Weitere Tipps für zufriedene Mitarbeiter*innen

Andere Möglichkeiten, mehr wechselseitiges Verständnis zu schaffen, sind beispielsweise das Tauschen von Rollen in Teams für eine definierte Zeit oder das Erschließen von Interessen und besonderer Fähigkeiten der Mitglieder eines Teams.

Natürlich gibt es je nach Unternehmen und Branche viele weitere Ansatzmöglichkeiten, um Unzufriedenheit von Beschäftigten – und womöglich ihre Kündigung – zu vermeiden. Hier noch weitere Beispiele:

  • Offene und wertschätzende Kommunikationskultur: Mitarbeitende müssen sich gut informiert fühlen und zugleich sicher sein, dass sie sich frei äußern können und ihre Vorschläge erwünscht sind. 
  • Arbeitsbedingungen verbessern: Von der Ausstattung am Arbeitsplatz über flexible Arbeitsorte und -zeiten bis zu Möglichkeiten, die Work-Life-Balance zu sichern, gibt es viele Möglichkeiten, auf die Bedürfnisse von Beschäftigten einzugehen.
  • Weiterentwicklungsmöglichkeiten: Auch wenn KMU meist wenige Möglichkeiten zu einem formalen Aufstieg haben, können sie die Weiterentwicklung ihrer Beschäftigten ermöglichen. Hier gibt es eine große Spanne. Sie reicht von formalen Weiterbildungen mit Zertifikat über günstige Online-Schulungen bis hin zur kostenfreien Teilnahme an Barcamps oder der Übernahme bestimmter Verantwortlichkeiten und Rollen wie z.B. das Mentoring für neue Beschäftigte.

Selbstverständlich gibt es noch viele weitere mögliche Maßnahmen, die dazu beitragen können, dass sich Mitarbeitende im Betrieb wohl und gebunden fühlen. Entscheidend dabei ist, dass die Maßnahmen individuell auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen angepasst werden – dann sind sie Ausdruck einer gesunden Unternehmenskultur.

Praxisbeispiel: Kündigungsgrund Diskriminierung in der Arztpraxis

Latifa* hatte sich sehr darauf gefreut, in einer größeren Facharztpraxis in einer deutschen Großstadt eine Ausbildung als Arzthelferin beginnen zu können. Sie ist im Rhein-Main-Gebiet aufgewachsen, hat ein gutes Abitur und ist eine fröhliche, junge Frau. Dennoch hat sie die Ausbildung nach einem halben Jahr abgebrochen. Der Grund? Die langjährigen Mitarbeiterinnen in der Praxis haben sie aufgrund ihrer anderen Hautfarbe und ihrem Migrationshintergrund regelmäßig beleidigt, abfällig mit ihr gesprochen, über ihr Aussehen gelästert und ihr im Arbeitsalltag nur einfachste Aufgaben gegeben. Gelernt hat sie in der Praxis fachlich in dieser Zeit kaum etwas. „Sie haben so getan, als ob ich kein Deutsch kann, wenn sie über mich gesprochen haben, haben sie das N-Wort benutzt und mich in den Pausen ausgegrenzt“, berichtet die junge Frau. Eine Führungsrolle haben weder die Ärzt*innen noch eine andere Person übernommen – Latifa wurde nicht einmal gefragt, warum sie gekündigt hat.

(* die junge Frau ist uns bekannt, zum Schutz der Privatsphäre haben wir den Namen geändert)

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