Unternehmenskultur verstehen und sichtbar machen

Frau hält Tablett in der Hand und schaut auf eine Glühbirne mit Gehirnsymbol

Werkzeug Kulturanalyse


16. Oktober 2023 | Von Juliane Damian

Initiativen für eine Anpassung der Unternehmenskultur stoßen an Grenzen, wenn sie nur oberflächlich umgesetzt werden. In der Praxis zeigt sich, dass es zu Ablehnung und Widerstand seitens der Organisationsmitglieder führen kann, wenn die auf Unternehmenswebseiten und in den sozialen Medien beschriebenen Unternehmenswerte und die versprochene Arbeitsatmosphäre in der Realität ganz anders wahrgenommen werden. Um einen nachhaltigen Kulturwandel zu erreichen, ist es daher wichtig, die eigene Unternehmenskultur zu analysieren, zu erkennen und zu verstehen.

Unternehmenskultur sichtbar machen

Das Kulturebenen-Modell von Edgar Schein bietet einen anschaulichen Ansatz, um die Vielschichtigkeit der (Unternehmens-) Kultur zu verstehen. Wenn wir die drei Kulturebenen nach Schein auf die Metapher eines Eisbergs übertragen, können wir die verschiedenen Ebenen auf einen Blick erkennen und erforschen: Über der Wasseroberfläche ragt die Spitze des Eisbergs mit den sichtbaren Symbolen heraus. Darunter liegt jedoch eine ganz andere Welt, bestehend aus Gedanken, Werten, Normen und grundlegenden Annahmen. Diese sind zwar meist unsichtbar und dem Einzelnen oft nicht bewusst, beeinflussen jedoch maßgeblich unser Verhalten und unsere Kommunikation im Team und im gesamten Unternehmen. Die drei Kulturebenen können wie folgt beschrieben werden:

  • Die kulturellen Artefakte sind alles, was in einer Organisation sichtbar, hörbar und spürbar ist, wie Architektur, Büros, Kommunikation, Symbole, Strukturen, „Klima“, Mythen und Rituale.
  • Die Überzeugungen, Normen und Werte sind den Organisationsmitgliedern teilweise bekannt und prägen zum Teil auch implizit das Verhalten der Akteure. Dies umfasst gelebte und geplante Ideale, Ziele, Lösungen und Werte (Ideologien), die zum Erfolg führen („Werbung ist gut!“; „Kunde im Zentrum“; „Miteinander, nicht jeder für sich“; „selbstorganisierte Organisation“).
  • Die Basisannahmen oder ruhenden kulturellen Annahmen sind unsichtbar und im Unternehmen meist unbewusst verankert. Diese Ebene kann als kulturelle DNA einer Organisation beschrieben werden und umfasst geltende Überzeugungen und Werte, die die individuelle Wahrnehmung, das Denken und Fühlen bestimmen.

Das folgende Schaubild verdeutlicht die drei Ebenen der Kultur anhand des kulturellen Eisbergmodells:

Eisbergmodell

Das Modell in der Praxis: In drei Schritten zur Kulturanalyse

Bevor Unternehmen grundsätzliche Veränderungen angehen, ist es notwendig, sich zunächst darüber klar zu werden, wie die aktuelle Unternehmenskultur aussieht. Daher ist der erste Schritt die Beschreibung des Ist-Zustands bzw. die Analyse der gelebten Kultur in unserem Unternehmen:

  • Wie arbeiten wir derzeit zusammen? 
  • Wie wird unsere Organisation geführt?
  • Welche Werte sind uns wichtig?
  • Welche Dinge hemmen uns in der gemeinsamen Arbeit?

Das folgende methodische Vorgehen bietet einen niedrigschwelligen Zugang zum Erkunden und Reflektieren der eigenen Organisationskultur. Es hilft, diese zu verstehen und mögliche erste Handlungsfelder zu identifizieren.

Schritt 1: Standortanalyse

Im dem folgenden Arbeitsbogen finden sich zu den drei Ebenen einer Organisationskultur Leifragen. Füllen Sie den Arbeitsbogen anhand der Leitfragen zunächst für sich persönlich aus.

Schritt 2: Reflexion und Kommunikation

Ihre Notizen auf dem Arbeitsbogen geben Aufschluss darüber, wie Sie persönlich die Kultur Ihrer Organisation auf verschiedenen Ebenen aktuell wahrnehmen. Ausgehend davon, unterstützen Reflexionsfragen, über die Ist-Situation im Team zu diskutieren.

Schritt 3: Perspektiventwicklung

Nun geht es um mögliche Handlungsempfehlungen, die anhand der vorherigen Schritte abgeleitet werden können: Überlegen Sie gemeinsam im Team, wie die Kultur zukünftig aussehen soll. Leitfragen geben dazu Hilfestellung.

Hier sehen Sie eine Variante der Kulturanalyse von Edgar Schein, die das Mittelstand-Digital Zentrum Zukunftskultur entwickelt hat.

Mitarbeitendenpartizipation als Schlüsselelement der Kulturanalyse

Der Einbezug möglichst vieler Organisationsmitglieder in Kulturanalyse und -gestaltung ist auch deshalb wichtig, da Veränderungsprozesse von aktiver Mitgestaltung der Mitarbeiter*innen abhängen. Von einer ersten Sensibilisierung und einem Verständnis für die Veränderung bis hin zu echtem Commitment ist es ein sehr subtiler Prozess. Die Akzeptanz für Veränderungsvorhaben wird sich erst dann einstellen, wenn die Maßnahmen nicht durch die Führungsebene aufgezwungen werden, sondern die Belegschaft partizipativ mit eingebunden wird. Auch wahrgenommene Konflikte zwischen den Kulturebenen können so rechtzeitig und konstruktiv bearbeitet werden. Es ist jedoch wichtig, diese Analyse in einen breiteren Kontext und in Verbindung mit anderen Management- und Organisationsinstrumenten zu stellen, um eine ganzheitliche Sicht auf die Unternehmenskultur zu erhalten.

Wann welches Tool?

Die Kulturanalyse nach Edgar Schein…

  • … eignet sich besonders zur Analyse des Ist-Zustandes der Kultur eines Unternehmens.
  • … bietet einen analytischen und systematischen Blick auf die Kultur.
  • … schafft ein gemeinsames Verständnis der vorhandenen Kultur im Team
  • … unterstützt, einen Reflektionsprozess anzustoßen und gemeinsam erste Entwicklungsschritte abzuleiten (Beispiele: Entwicklung eines Onboarding-Konzepts, Entwicklung von Botschaften für die Kundenkommunikation).

Das Culture Design Canvas

  • … eignet sich zur vertiefenden Arbeit am Thema Unternehmenskultur im Team, wenn bereits konkrete Herausforderungen identifiziert wurden.
  • … bietet einen analytischen Blick auf die Kultur.
  • … eröffnet eine ganzheitliche Perspektive.

5 Tipps zur Anwendung 

Der praktische Einsatz des Kulturebenen-Modells von Edgar Schein im Unternehmen erfordert eine strukturierte Herangehensweise und eine klare Strategie. Hier sind einige praktische Tipps, wie Sie das Modell in Ihrem Unternehmen effektiv nutzen können:

  1. Klare Zielsetzung: Definieren Sie klare Ziele und Zwecke für die Anwendung des Kulturebenen-Modells. Überlegen Sie, welche spezifischen Fragen Sie beantworten möchten oder welche Probleme Sie lösen möchten.
  2. Visualisierung: Erstellen Sie eine visuelle Darstellung der Kulturebenen, um die Unterschiede und Übereinstimmungen zwischen Artefakten, Werten und Grundannahmen deutlich zu machen. Diagramme oder Mind Maps können dabei hilfreich sein.
  3. Kommunikation: Teilen Sie die Ergebnisse der Analyse mit den Mitarbeitenden und Führungskräften des Unternehmens. Ermutigen Sie zu offenen Diskussionen und Feedback, um ein besseres Verständnis und Engagement für die Kulturverbesserung zu fördern.
  4. Entwicklung von Maßnahmen: Basierend auf den Erkenntnissen aus der Analyse sollten konkrete Maßnahmen zur Verbesserung oder Anpassung der Unternehmenskultur entwickelt werden. Dies kann Schulungen, Veränderungen in der Führung oder Kommunikationsstrategien umfassen.
  5. Feedbackschleife: Unternehmenskultur ist ein kontinuierlicher Prozess. Etablieren Sie eine Feedbackschleife, um die Auswirkungen der Kulturveränderungen zu bewerten und bei Bedarf Anpassungen vorzunehmen.

Die Anwendung des Kulturebenen-Modells erfordert Zeit und Engagement. Aber es kann dazu beitragen, eine gesündere und effektivere Unternehmenskultur zu schaffen, die zu einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit führt und Innovationsbereitschaft stärkt.

Unsere Lesetipps zur Vertiefung 

Kontaktmöglichkeit

Juliane Damian

juliane.damian@businessschool-berlin.de

+49 331 / 730404 – 308

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