Tagebucheintrag 18.04.24, Lorenz/Schelklingen: Remanufacturing – Neues Leben für alte Teile

Veranstaltungsbild für die Reise in die Kreislaufwirtschaft - Eine Gruppe von Erdmännchen steht um zwei Messgeräte herum

Bildquelle: Mittelstand-Digital Zukunftskultur


24. April 2024 | Von Anne Weist, Gerrit Neuhaus, Susann Feuerschütz

Es geht weiter auf unserer Reise in die Kreislaufwirtschaft. Unser zweites Ziel führte uns zu Lorenz GmbH & Co. KG (auch bekannt als Lorenz Meters) in Schelklingen-Ingstetten. Einem spannenden Unternehmen in Baden-Württemberg, das beweist, wie alte Teile durch Remanufacturing ein neues Leben erhalten können.

Teilnehmende der Veranstaltung sitzen in einem Meetingraum in einer Tischrunde und besprechen sich



Begrüßung und inspirierende Einblicke


Wilhelm Mauss, Geschäftsführer von Lorenz, und sein Team empfingen uns in einem sonnendurchfluteten Meetingraum mit Blick auf die Schwäbische Alb, bereit, uns einen Tag voller Inspiration und Lernen zu bieten.

Highlights der Veranstaltung

Kreislaufwirtschaft im Fokus

Kurz nach unserer Begrüßung der Teilnehmenden erinnerte Katharina Reuter vom Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. (BNW) mit ihrem Input an die Bedeutung der Zusammenarbeit und Kooperation auf dem Weg hin zur Kreislaufwirtschaft. Sie bestätigte erneut, dass die Chancen vor allem im Verbund liegen und Herausforderungen gemeinsam gelöst werden können.


Innovative Umsetzung bei Lorenz Meters

In der idyllischen Kulisse von Schelklingen-Ingstetten demonstriert Lorenz GmbH & Co. KG, wie alte Wasserzähler durch innovative Remanufacturing-Verfahren neues Leben erhalten. Lorenz hat sich als führender Hersteller mit einer Kapazität von circa 2 Millionen Zählern pro Jahr etabliert und engagiert sich nachhaltig für die Kreislaufwirtschaft.

Das Forschungsprojekt RETHINK, initiiert in Zusammenarbeit mit technologischen Instituten, illustriert die Transformation von der Linear- zur Kreislaufwirtschaft in der industriellen Produktion bei Lorenz. Dieses Projekt umfasst den Einsatz einer Produktionsanlage, die für Montage, Demontage und Remontage konzipiert ist, und setzt auf eine vernetzte Produktion.

In diesem Zusammenhang spielt der digitale Zwilling eine entscheidende Rolle: Jedes Produkt wird durch einen digitalen Zwilling begleitet, der alle durchgeführten Tests und deren Ergebnisse speichert. Diese Daten ermöglichen eine optimierte Steuerung der Produktionsprozesse, indem sie sicherstellen, dass jede Produktionsstation nur Produkte annimmt, die die Qualitätskontrollen der vorherigen Stationen erfolgreich passiert haben.

eine Gruppe von Menschen steht in einer Produktionshalle für die Herstellung von Wasserzählern


Woher kam die Idee und wie gelang die Umsetzung?


Aufgrund der rasant steigenden Kosten für das Hauptmaterial kam dem Geschäftsführer vor mehr als zwei Jahrzehnten eine Idee: Statt die Produktion in günstigere Länder zu verlagern oder das Material durch Kunststoff zu ersetzten, entschied sich Mauss für den Ansatz der Kreislaufwirtschaft.

Ein Zahlenwerk eines Wasserzähler und ein Gabel ähnliches Werkzeug zum Zurückdrehen der Zahlen

Doch was heißt das konkret?


Abgenutzte Wasserzähler, darunter ältere, Fremdmodelle und moderne Smart Meter, senden B2B-Kunden an Lorenz zurück. Dort werden die Geräte mit digitaler Unterstützung aufbereitet und wieder in den Produktionskreislauf eingegliedert – ein Vorgang, der als Remanufacturing bekannt ist. Die neuesten Modelle der Wasserzähler sind speziell für diesen Prozess konzipiert, mit einem Fokus auf die Integration von Software, Elektronik, Mechanik und Wiederverwendung. Parallel dazu wächst das Unternehmen räumlich: Mauss plant mit seinem Team eine neue Halle, die speziell der Aufbereitung zurückgesendeter Smart Meter nach Ablauf ihrer Eichzeit dient.

Verschiedene Wasserzähle und Messgeräte aus der Produktion Lorenz
Produkte von Lorenz Meters


Wie gelang Lorenz die Umsetzung und welche Herausforderungen gab es?


Der Geschäftsführer beschrieb den Weg des Unternehmens zum erfolgreichen Changemanagement und zur Implementierung des Remanufacturing-Modells. Er betonte, dass der erste Schritt die Entwicklung eines groben Konzepts war, ohne sich in Details zu verlieren. Trotz anfänglicher Unsicherheiten sei es wichtig, einfach zu starten, um aus den Erfahrungen zu lernen und sich kontinuierlich zu verbessern.

Die Einführung des Remanufacturing-Modells erfolgte nach einem erfolgreichen Pilotprojekt, das umfassende Markttests beinhaltete. Die Offenheit und Kooperation der Kundschaft spielten eine entscheidende Rolle für den Erfolg des Projekts, wobei Lorenz durch den Ankauf zurückgesendeter Produkte einen „Recyclinghof“ für seine Branche schuf.

Auf dem Weg der Nachhaltigkeit hat sich das Unternehmen gut entwickelt. Ohne diese Transformation, diese Veränderung, die wir machen mussten, würde es uns heute nicht mehr geben. Da bin ich relativ sicher und überzeugt. […] Wenn ich heute schaue, was wir heute und damals gemacht haben, haben wir ganz viel gelernt auf dem Weg. Und wir hätten es nie gelernt, wenn wir nicht angefangen hätten.

Wilhelm Mauss, Geschäftsführer Lorenz


Fehler seien unvermeidlich und ein wesentlicher Bestandteil des Produktentwicklungsprozesses, so Mauss. Er betont die Wichtigkeit der Selbstreflexion – zu verstehen, wo man aktuell steht und welche Ziele man anstrebt. Dieser Ansatz ermöglicht die Entwicklung von Produkten, die nicht nur den Kundenbedürfnissen gerecht werden, sondern auch ein umfassendes Produktlebenszyklusmanagement integrieren.

Die vollständige Vorstellung von Wilhelm Mauss findet Ihr im folgenden Video:



Nach der Vorstellung übergaben wir das Wort an Christoph Soukup von materialkreislauf.studio. Sein Impulsvortrag zeigte uns, wie essentiell Kreislaufwirtschaft für die Zukunft ist und wie regionale Initiativen im Raum Stuttgart diesen Ansatz vorantreiben.


Warum lohnt sich Kreislaufwirtschaft?


Soukup erläuterte anhand von Beispielen, wie wirtschaftlich rentabel die Kreislaufwirtschaft sein kann und gab Tipps, wie Unternehmen damit starten können. Er wies darauf hin, dass die anfänglichen Kosten oft abschreckend für seine Kunden seien. In seinem Vortrag verglich er Investitionen in Kreislaufwirtschaft mit dem Kauf einer Maschine: Niemand würde behaupten, eine Maschine verursache nur Kosten. Vielmehr betrachte man die Ausgaben als Investition und evaluiere den erwarteten Nutzen. Ähnlich sollte man die Kreislaufwirtschaft betrachten – als eine Investition, die über mehrere Perioden hinweg betrachtet werden muss. Ab dem zweiten Zyklus, so Soukup, beginne die Investition sich nicht nur zu amortisieren, sondern auch Spaß zu machen.

Die Kreislaufwirtschaft ermöglicht die Nutzung hochwertiger Materialien, wie es Lorenz praktiziert, indem Messing anstelle von Kunststoff verwendet wird. Dies unterstützt nicht nur die Produktion „Made in Germany“, sondern gewährleistet auch die Langlebigkeit und hohe Qualität der Produkte ohne Qualitätsverluste. Zudem hilft sie, Arbeitsplätze zu sichern und öffnet neue Möglichkeiten zur Wertschöpfung.

Selbstverständlich ist Kreislaufwirtschaft eine Investition, aber sie trägt sich auch.

Dr. Christoph Soukup, materialkreislauf.studio


Die intelligente Kreislaufwirtschaft beginnt schon bei der Produktentwicklung. Bereits in der Designphase wird bedacht, was nach der ersten Nutzung des Produkts geschieht. Statt vom Lebensende eines Produkts zu sprechen, betrachtet man das Ende seiner ersten Nutzung als Ausgangspunkt für eine weitere Verwendung. Dies leitet über zur Phase der Nachnutzung.

Dabei werden die Stoffströme reduziert und entweder in einen technischen oder biologischen Kreislauf integriert oder anderweitig verwendet. Was dabei noch unheimlich unterschätzt sei, sei die Kraft der Bioökonomie, so Soukup.

Interview mit Wilhelm Mauss


Nach seiner Keynote trat Christoph Soukup mit Wilhelm Mauss in in einen Dialog. Soukup erkundigte sich nach den wichtigsten Tipps für Unternehmerinnen und Unternehmer, die vor der Herausforderung stehen, Kreislaufwirtschaft zu implementieren. Mauss empfahl, dass das Führungsteam sich Zeit für einen gemeinsamen Ausflug wie z.B. eine Wanderung nehmen sollte. Ziel sei es, sich fernab des Tagesgeschäfts gemeinsam zu orientieren und zu definieren, welche Entwicklungsrichtung man einschlagen möchte und welche Schritte dafür nötig sind. Jedes Teammitglied sollte sich im Vorfeld bereits eigene Gedanken gemacht haben. Der Ausflug dient dem aktiven Austausch, der Generierung neuer Ideen und dem Nutzen von Erfahrungswerten von Impulsgebern wie dem BNW e.V., um aus Best-Practice-Beispielen zu lernen. Dieser Schritt aus den gewohnten Abläufen heraus fördert nicht nur die Kreativität, sondern auch die körperliche Aktivität, die den mentalen Prozess unterstützt.

Mauss beschreibt die Erkenntnis und Umsetzung als einen fließenden Prozess, angereichert mit Ideen verschiedener Personen und initiiert durch einen ersten Impuls. Besonders während der Pandemie wurde deutlich, wie lohnend diese Umstellung war, als das Unternehmen feststellte, dass es keinerlei Probleme mit der Materialbeschaffung hatte.

Wilhelm Mauss und Dr. Katharina Reuter sitzen gemeinsam an einem Tisch


Den Impulsvortrag von Christoph Soukup findet Ihr demnächst hier als Video.


Remanufacturing in der Praxis

Die Führung durch das Werk von Lorenz Meters war definitiv ein Highlight des Tages. Hier konnten wir direkt sehen, wie Produktion und Nachhaltigkeit in einem Mittelständler realisiert werden, der bereits mehrfach für seine Innovationen und sein Engagement im Bereich Umwelttechnik ausgezeichnet wurde.

Geschäftsführer Mauss von Lorenz umringt von Teilnehmenden der Werksführung in einer Produktionshalle der Wasserzähler



Die Erkenntnisse und Bilder unserer Führung haben wir für Euch in unserem Praxisbeispiel zusammengefasst.




Netzwerken und Vernetzen


Das gemeinsame Mittagessen bot eine hervorragende Gelegenheit zum Austausch und Networking. Die Gespräche mit anderen Teilnehmenden und den Expert*innen waren bereichernd und öffneten neue Perspektiven auf das Thema Kreislaufwirtschaft.



zwei Erdmännchen sitzen sich in einer Kajüte gegenüber

Workshop: Der Weg zur Kreislaufwirtschaft

Am Nachmittag wurden die Teilnehmenden der Reisegruppe dazu ermutigt, Kreislaufwirtschaft als Chance zu begreifen und aktiv anzugehen. Zunächst fand eine Feedbackrunde statt, in der die Teilnehmenden ihre Projekte vorstellten und diskutierten. Anschließend entwickelten sie, basierend auf der OKR-Methode und mit Hilfe unseres Praxisbeispiels, ihre ersten Objectives und Key Results. Dieser Ansatz bot praktische Ansätze und war für alle Beteiligten sehr bereichernd.

Reflexion und Ausblick

Als die Veranstaltung endete, blieb viel Stoff zum Nachdenken. Die Reisegruppe, die anschließend in einem exklusiven Workshop weiterarbeitete, tauchte noch tiefer in die Thematik ein.

Dieser Tag bei Lorenz Meters hat eindrücklich gezeigt, dass Remanufacturing und Kreislaufwirtschaft nicht nur notwendig, sondern auch realisierbar sind – und dass sie innovative Lösungen für nachhaltiges Wirtschaften bieten. Wir verließen Schelklingen-Ingstetten inspiriert und mit vielen neuen Ideen, wie wir selbst zur Kreislaufwirtschaft beitragen können.

Eine Gruppe von Erdmännchen steht vor einem Elektroauto in einer Produktionshalle


Begleitet uns weiter auf dieser Reise in eine nachhaltigere Zukunft!

Design, Geschäftsmodell und die positiven Effekte der Kreislaufwirtschaft hängen eng miteinander zusammen. Dies erlebst Du an Tag 3 unserer Reise in der ARENA 2036 Vorträge zu Grundlagen des Ökodesigns und Kreislauffähigkeit. Ganz viel Technik und Anwendungswissen zum Anfassen und einen deutschlandweit einzigartigen Workshop zum Wertschöpfungskettendesign.

Lesetipps zu Remanufacturing

Du möchtest mehr über Remanufacturing erfahren? Dann empfehlen wir Dir einen Blick in die Publikation vom VDI zum Thema „Ressourceneffizienz durch Remanufacturing – Industrielle Aufarbeitung von Altteilen„.

Du möchtest weitere Infos wie unsere Tagebuchträge zu unserer Reise in die Kreislaufwirtschaft erhalten? Hier geht es zu den Einträgen, dem Programm und den Anmeldungen.

Kontaktmöglichkeit

Anne Weist

anne.weist@hnee.de

+49 3334 / 657 – 364

Gerrit Neuhaus

Gerrit.neuhaus@hnee.de

+49 3334 / 657 – 436

Susann Feuerschütz

Susann.feuerschuetz@hnee.de

+49 3334 / 657 – 341

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