Unternehmenskultur: Nachhaltigkeit schafft Vertrauen

Nachhaltigkeit: Eine langfristige Entwicklungsperspektive für das Vertrauen

Bildquelle: canva.com

Nachhaltigkeit schafft eine vertrauensvolle Unternehmenskultur


18. Oktober 2023 | Von Gerrit Neuhaus, Holger Schneider

Wie schaffen wir es eigentlich, eine Unternehmenskultur so auszugestalten, dass sie nachhaltig wirkt? Wie schaffen wir es, dass auf dieser Basis Nachhaltigkeit Vertrauen schafft und hält?

Bei dieser Betrachtung lohnt auf jeden Fall ein umfassender Perspektivwechsel zu der Sicht der Mitarbeiter*innen im Unternehmen sowie zu Geschäftspartner*innen und Kund*innen.

Nachhaltigkeit und Unternehmenskultur

Man könnte meinen, die Reduzierung des unternehmerischen Daseinszwecks auf rein wirtschaftlichen Erfolg, das war einmal. Das Verständnis der Abhängigkeiten erfolgreicher Wirtschaftsstrukturen von einer funktionierenden Gesellschaft und Umwelt wächst. Unternehmen formulieren die Übernahme von Verantwortung im Dreiklang der Nachhaltigkeit (Ökonomie, Gesellschaft und Umwelt) in der Unternehmenspolitik und strategischer Zielsetzung. Umweltaspekte und soziale Gesichtspunkte werden in Leitbilder, Visionen und Managementsysteme aufgenommen.

Gleichzeitig bleibt es fraglich, ob eine prozessorientierte Perspektive auf die Umsetzung von Nachhaltigkeit in Unternehmen letztlich zu einer wirklichen Verbesserung der Abläufe führt. Oder wird sie durch interne und externe Hindernisse blockiert? Hier kommt der Integration der Nachhaltigkeit in die Unternehmenskultur eine entscheidende Rolle zu. Dabei können Sie zwei Blickwinkel unterscheiden. Blicken Sie einerseits durch die Nachhaltigkeitsbrille auf die Kultur Ihres Unternehmens, stellt sich die Frage: „Welche nachhaltigkeitsorientierten Grundwerte und Annahmen prägen Ihre Unternehmenskultur?“ Andererseits können Sie durch die Kulturbrille auf die Nachhaltigkeit schauen. Die Frage lautet dann: „Welche kulturellen Merkmale ermöglichen oder behindern eine nachhaltigkeitsorientierte Unternehmensentwicklung?“

Ein Praxisbeispiel

Nehmen wir das Beispiel eines produzierenden Unternehmens, das durch seine Kund*innen aufgefordert wird, eine Ökobilanz für seine Produkte zu liefern. Die Erstellung von Ökobilanzen folgt einem standardisierten Verfahren (DIN EN ISO 14040 bzw. 14044). Ein großer Teil der Erstellung liegt in der Sammlung von Produkt- und unternehmensbezogenen Daten. Dies ist eine Aufgabe, die unternehmensintern durchgeführt werden kann. Das Know-how, um das Verfahren strukturiert durchzuführen, ist in vielen Unternehmen nicht direkt vorhanden. Es wird also zusätzlich externe Unterstützung benötigt. Ist die Ökobilanz erstellt, kann ihre Auswertung u. a. für die interne Prozessverbesserung, aber auch für die externe Kommunikation verwendet werden. Welchen Nutzen ein Unternehmen aus einer Ökobilanzierung zieht, ist maßgeblich von seiner Unternehmenskultur abhängig.

Nachhaltigkeit: Eine langfristige Entwicklungsperspektive

Einer der grundlegenden Faktoren für eine nachhaltige Entwicklung ist die Zeit. Nachhaltigkeit kann eigentlich nie final erreicht werden, sondern ist vielmehr als langfristige Entwicklungsperspektive zu verstehen. Diese macht eine Strategie erforderlich. Langfristiges Denken steht kurzfristig angelegten wirtschaftlichen Entscheidungsmustern oft entgegen. Dabei sind es in aller Regel langfristige Entwicklungsperspektiven, die zum Erfolg führen. Greifen wir das Beispiel der Ökobilanzierung auf. Das Unternehmen kann zwar kurzfristig auf die Anfrage der Kundschaft reagieren und die Bilanzierung dann wieder in die Schublade packen. Eine auf Nachhaltigkeit ausgelegte Unternehmenskultur mit Mitarbeiter*innen, die es gewohnt sind, eine langfristige Sichtweise einzunehmen, wird automatisch Fragen folgen lassen, zu welchen Zwecken sich die Ökobilanzierung darüber hinaus nutzen lässt.

Beantworten Sie folgende Fragen:

  • Welche Ziele möchte ich mit einem Projekt langfristig erreichen?
  • Wie kann ich wünschenswerte Entwicklungen über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten?
  • Wie lässt sich ein Projektergebnis weiter nutzen?

Transparenz und Offenheit

Eine im Unternehmen nach innen gerichtete Offenheit ermöglicht die Kommunikation zwischen Hierarchieebenen und somit den Fluss von Ideen zur nachhaltigen Unternehmensentwicklung. Verfolgt ein Unternehmen ein auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Leitbild, folgen in den nächsten Schritten die Strategie und konkrete Umsetzungsprojekte. Diese sind nur dann erfolgreich, wenn konkrete Zielsetzungen auch offen ins Unternehmen hinein kommuniziert werden und wenn die Belegschaft diese versteht.

Beispielsweise ist die Erstellung einer CO2-Bilanz für Produkte und Prozesse als Teil einer Ökobilanz ein vielschichtiges Thema. Für deren Umsetzung fehlen gerade bei kleineren Unternehmen oft die Ressourcen und das Know-how. Hier ist es die offene Kommunikation mit externen Unterstützer*innen (z. B.: Berater*innen, Wissenschaft, aber auch Freund*innen und Familie), die dann helfen können, wenn transparent über die Herausforderungen des Unternehmens berichtet wird.

Beantworten Sie folgende Fragen:  

  • Kennt meine Belegschaft unsere Ziele?
  • Wie kann ich meine strategischen Nachhaltigkeitsziele im Unternehmen sichtbar machen?
  • Welche Unterstützung brauche ich für die Umsetzung von Projekten?
  • Wie kann ich externe Unterstützung möglichst effektiv in meine Projekte einbinden?

Authentizität und Zielkonflikte

Die Umsetzung von unternehmerischer Nachhaltigkeit führt sowohl die Unternehmensführung als auch die Belegschaft zwangsläufig an Momente heran, in denen Zielkonflikte zur Umsetzung einer nachhaltigen Ausrichtung des Unternehmens bestehen. So kann beispielsweise die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs durch ein Jobticket an der Akzeptanz der Belegschaft scheitern. Die Erstellung einer CO2-Bilanz basiert auf Annahmen, die nie zu 100 % verifiziert werden können. Gleichzeitig verdeutlicht sie auf Basis dieser Annahmen die Notwendigkeit nach Veränderung, die häufig mit Zielkonflikten einhergeht. Ein Logistikunternehmen kann beispielsweise nicht von heute auf morgen eine CO2-neutrale Fahrzeugflotte aus dem Hut zaubern ohne unvertretbare ökonomische Verluste in Kauf zu nehmen. Solche Zielkonflikte können zu einem „Auslaufen lassen“ entsprechender Projekte führen. Klarerweise möchte kein Unternehmen ohne Weiteres solche Herausforderungen oder Misserfolge kommunizieren. Gleichzeitig ist es nicht möglich, langfristige und zukunftsfähige Lösungen zu finden, wenn Herausforderungen nicht klar benannt werden.

Beantworten Sie folgende Fragen:

  • Welche Zielkonflikte zieht ein Projekt möglicherweise nach sich?
  • Wie kann ich Zielkonflikte lösen?
  • Wie lassen sich die drei Ebenen der Nachhaltigkeit in Verbindung bringen?
  • Wie kann ich eine Herausforderung als solche benennen, ohne meine Reputation zu gefährden?

Vertrauen schaffen durch Integrität, Wohlwollen und Kompetenz 

Es stellt sich also die Frage, wie Dritte mich als vertrauensvolle*n Partner*in wahrnehmen können, wenn Projekte eine nachhaltige Ausrichtung haben. Um im Beispiel „Nachhaltigkeit schafft Vertrauen“ zu bleiben: Die Entscheidung, etwas für die Ökobilanz zu tun, zieht zahlreiche Konsequenzen nach sich. Produktionsprozesse unterliegen z. T. einschneidenden Veränderungen, wenn Produkte mit anderen Verfahren als bislang hergestellt werden. Oder wenn gar auf die Herstellung bestimmter Produkte verzichtet werden muss. Geht dies dann noch einher mit einem zunehmenden Einsatz von digitalen Anwendungen, so steht jedes Unternehmen gegenüber den Mitarbeiter*innen vor der Situation, erklären zu müssen, wie das denn zu verantworten sei. Es sei denn, die Unternehmenskultur ist streng hierarchisch.

Vertrauen durch Integrität

Vertrauen zu schaffen, ist hier zunächst eine Frage der Integrität. Wer eine gute Ökobilanz als Leitsatz für das Unternehmen formuliert, kann nicht als integer wahrgenommen werden, wenn de facto Greenwashing betrieben wird. Im Klartext bedeutet dies, das Ziel einer guten Ökobilanz unternehmenskulturell so zu verankern, dass alle Stakeholder im Unternehmen diese Wertvorstellung als übergreifendes Mindset mittragen. So gelingt es, dass wir innerhalb des Unternehmens wie nach außen eine authentische Perspektive „mit Rückgrat“ vertreten können.

Das kann schon innerhalb eines Unternehmens durchaus für Zündstoff sorgen; mit Schuldzuweisungen wie „Warum hast du bei der Produktion nicht beachtet, dass wir nun nicht mehr den Giftstoff XYZ einsetzen“ oder auch ganz allgemein „Warum bist du jetzt mit dem Auto die 300 km zu unserer Produktionsstätte gefahren, nur um einen Entwicklungsprozess für eine neue Produktidee zu Papier zu bringen? Da können wir unsere CO2-Bilanz nicht mit stärken. Das hätte man doch auch bequem online durchführen können. An das verbrauchte Papier möchte ich gar nicht denken.“

Hier kommt es sehr darauf an, wie Unternehmenskultur verstanden wird. Eine Kultur der Schuldzuweisungen klingt eher nach einer Clan-Gesellschaft. Umgekehrt wird ein Schuh daraus, wenn eher im Sinne einer transformativen Kultur gedacht wird. Hier sind Offenheit für Veränderungen und die Möglichkeit zu experimentieren als Erlebnis für die Mitarbeiter*innen möglich. Das schließt mit ein, dass Fehler gemacht werden können und diese als Chance gesehen werden, um daraus zu lernen und Ideen abzuleiten, wie Prozesse zukünftig besser bearbeitet werden können. Das bedeutet nicht, dass ein Unternehmen darauf aus ist, zu gestatten, Fehler zu machen – im Gegenteil.

Vertrauen durch Wohlwollen

Vertrauen aufbauen heißt aber auch, wohlwollend gegenüber den Mitarbeiter*innen zu agieren, sich um ihre Ängste und Sorgen, die sie bei den Veränderungen haben, zu kümmern. Im Sinne einer integrativen Unternehmenskultur kann das auch heißen, dass sich Mitarbeiter*innen in Entscheidungsprozesse auf der Basis des Leitbildes „Gute Ökobilanz“ mit einbringen können. Entstehende Fehler werden nicht unbedingt sanktioniert, sondern es besteht die Möglichkeit zur zweiten und vielleicht sogar dritten Chance. 

Vertrauen durch Kompetenz

Nicht zu vernachlässigen ist schließlich der Aufbau von Kompetenz. Wer als kompetent wahrgenommen werden möchte, gerade dann, wenn ein Untenehmen neue Anwendungen einsetzt, hat beste Chancen, vorausgesetzt, es stehen z. B. ausreichend Schulungs- und Testmöglichkeiten zur Verfügung, um mit den Anwendungen professionell umzugehen.

Beantworten Sie folgende Fragen:

  • Wie möchte ich als Unternehmen vertrauensvoll wahrgenommen werden?
  • Was muss ich dafür tun, um so wahrgenommen zu werden?
  • Wie erreiche ich es, Kompetenz auszustrahlen?
  • Was muss ich beachten, um als integer wahrgenommen zu werden?
  • Was wären geeignete Maßnahmen des Wohlwollens? Wie weit darf das Wohlwollen gehen?

Vertrauen durch die Übernahme von Verantwortung

Bleiben wir beim Beispiel der CO2-Bilanz, so sieht sich ein Unternehmen zwangsläufig in einer Dilemmasituation, wo es am besten den Hebel zur Selbstverpflichtung ansetzt. Die Anforderungen der Kundschaft, etwas für die Ökobilanz zu tun, können dazu führen, dass sich ein Unternehmen aus gesellschaftlicher und ökologischer Verantwortung heraus nach Compliance-Vorschriften wie den genannten Normen DIN EN ISO 14040 bzw. 14044 zertifizieren lässt, um als vertrauenswürdiger Partner wahrgenommen zu werden.

Wer so agiert, ist bereit, auf einen ökonomischen Vorteil zu verzichten, bspw. wenn die LKW-Flotte eines Produktionsunternehmens nur noch strombetrieben fährt. Dies kann zumindest zeitweise damit einhergehen, dass die Anzahl der eingesetzten Fahrzeuge reduziert ist und bei E-Fahrzeugen mit langen Ladezeiten an der Ladesäule zu rechnen ist. Der Zielkonflikt mit langen Lieferzeiten und die damit einhergehende Unzufriedenheit bei Kund*innen, wenn sie zu lange auf bestellte Ware warten müssen, ist vorprogrammiert. Auch hier gilt es, so genau und authentisch zu kommunizieren, dass und warum man die Verantwortung dafür übernommen hat. Nicht jede*r im Unternehmen wird den Verzicht auf den ökonomischen Vorteil ohne Weiteres hinnehmen.

Wie aber erreiche ich es, den Dreiklang der Nachhaltigkeit (ökonomisch, gesellschaftlich, ökologisch) in ein bestmögliches Gleichgewicht zueinander zu setzen? Der Königsweg könnte eben jene Unternehmenskultur des Vertrauens sein.

Beantworten Sie folgende Fragen:

  • Was sind für mich normierende Faktoren bei der Übernahme von Verantwortung?
  • Wem oder was gegenüber will ich Verantwortung übernehmen?
  • Wo setze ich die Prioritäten?
  • Wo kann ich am ehesten auf einen ökonomischen Vorteil verzichten?
  • Wie kommuniziere ich das an die Mitarbeiter*innen in meinem Unternehmen?

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