Unternehmenskultur neu gedacht: Das Potential des Culture Design Canvas

Culture Canvas


31. Oktober 2023 | Von Thomas Pleil

Eine starke und positive Unternehmenskultur ist der Schlüssel zu einem erfolgreichen Unternehmen. Sie beeinflusst das Verhalten und die Einstellungen der Mitarbeiter*innen, wirkt sich auf die Zufriedenheit der Kundschaft aus und prägt das Image der Marke. Doch wie kann ein Unternehmen sicherstellen, dass die Unternehmenskultur den Bedürfnissen und Werten der Mitarbeiter*innen entspricht?

Hier kommt das visuelle Hilfsmittel, der „Culture Design Canvas“ ins Spiel! Dieses Instrument ermöglicht es Unternehmen, ihre Unternehmenskultur aus der Perspektive der Mitarbeitenden zu sehen und somit eine transparente Grundlage für die Entwicklung von Unternehmenszielen zu schaffen.

Hintergrund zum Culture Design Canvas

Der Culture Design Canvas ist ein frei verfügbares Werkzeug für Unternehmen bzw. Berater*innen, um die Unternehmenskultur weiterzuentwickeln. In Workshops wird erschlossen, wie die Mitarbeitenden die Kultur wahrnehmen. Es wird erarbeitet, wie die Kultur – beispielsweise angesichts von Veränderungen wie Digitalisierung und nachhaltiger Entwicklung – weiterentwickelt werden soll. Dieser Entwicklungsprozess hat sich schon in tausenden Unternehmen bewährt. Entscheidend dabei sind zwei Dinge:

  1. Die Erkenntnis, dass die kulturellen Aspekte einer Organisation einen großen Einfluss auf die Produktivität und die Zufriedenheit am Arbeitsplatz haben.
  2. Die Überzeugung, dass Unternehmenskultur – übersetzt: Die Art des Umgangs miteinander und mit Herausforderungen – nicht verordnet werden kann, sondern dass viele Aspekte der Unternehmenskultur durch Beteiligung und offene Kommunikation sichtbar und veränderbar werden. 

Wie funktioniert der Culture Design Canvas?

Der Culture Design Canvas ist inspiriert vom bekannten Business Model Canvas, einem Werkzeug des strategischen Managements, um Geschäftsmodelle zu beschreiben und (weiter) zu entwickeln. Ähnlich erlaubt der Culture Design Canvas Unternehmen, ihre Kultur auf einfache Weise sichtbar zu machen und auf dieser Grundlage weiterzuentwickeln. Üblicherweise besteht der Canvas aus einer großen, visuell aufbereiteten Vorlage. Diese ist in verschiedene Bereiche gegliedert, die jeweils den Fokus auf bestimmte Aspekte der Unternehmenskultur legen. Hier sehen Sie ein Beispiel für einen Culture Design Canvas, das Sie kostenlos herunterladen und nutzen können:

Der ursprünglich vom Berater Gustavo Razzetti (Fearless Culture, https://www.fearlessculture.design/) entwickelte Culture Design Canvas darf unter Nennung des Urhebers frei verwendet und angepasst werden. Am Ende des Artikels finden Sie eine angepasste deutsche Version des Canvas.

In der Praxis existieren verschiedene Varianten dieser Vorlage, die entwickelt wurden, um sie für spezielle Einsatzmöglichkeiten anzupassen. Dies sind typische Elemente der Vorlage:

  1. Zweck (Purpose) und Werte: 
    Ein Purpose ist essenziell, weil er die Richtung vorgibt, Mitarbeitende motiviert, strategische Entscheidungen lenkt und Kundenbindung fördert, während er Innovation, Verantwortung und kulturelle Ausrichtung prägt. Es geht also um Leitwerte und ein Hauptziel des Unternehmens, das für alle klar ist.
  2. Verhaltensweisen und Normen:
    Festlegung der erwarteten Verhaltensweisen und Normen, die die gewünschte Kultur innerhalb der Organisation widerspiegeln. Das könnte zum Beispiel eine offene Kommunikation sein, die den Austausch von Informationen, Ideen und Bedenken ermutigt. 
  3. Symbole und Rituale:
    Herausarbeiten der wichtigen Symbole und Rituale, die die Werte und die Identität der Organisation unterstreichen. Zum Beispiel ein regelmäßiges „Town Hall Meeting“, bei dem die Geschäftsleitung Updates teilt und Fragen der Mitarbeitenden beantwortet. 
  4. Umgebung und Raum:
    Bewertung, wie die physische Umgebung und die Gestaltung des Arbeitsplatzes die Gesamtkultur beeinflussen.
  5. Routinen und Abläufe:
    Analyse der regelmäßigen Routinen und Abläufe, die das Verhalten der Mitarbeiter beeinflussen und die Kultur prägen, zum Beispiel das Onboarding neuer Mitarbeitende.
  6. Beziehungen und Kommunikation:
    Bewertung der Qualität der Beziehungen und Kommunikationsmuster innerhalb der Organisation.
  7. Lernen und Entwicklung:
    Ermittlung von Lern- und Wachstumsmöglichkeiten, um die persönliche und berufliche Entwicklung der Mitarbeitenden zu fördern.

Wann welches Tool? 

Der Culture Design Canvas…

  • … geht von der Analyse in das Erarbeiten von Lösungen
  • … eröffnet eine ganzheitliche Perspektive auf die Kultur eines Unternehmens
  • … eignet sich besonders, wenn konkrete Herausforderungen identifiziert wurden und mit einem Team daran gearbeitet werden soll (Beispiele: Integration von Mitarbeitenden im Home-Office, Einführung einer App für Mitarbeitende.

Im Unterschied dazu bietet zum Beispiel die Unternehmenskulturanalyse nach Edgar Schein einen stärker analytischen und sehr systematischen Blick auf den Ist-Stand der Unternehmenskultur. Der Schwerpunkt liegt hier also u.a. mehr auf dem Verstehen und Sichtbarmachen von Konventionen der Unternehmenskultur. Diese Ergebnisse werden dann üblicherweise in separate Arbeitsschritte einbezogen (Beispiele: Entwicklung eines Onboarding-Konzepts, Entwicklung von Botschaften für die Kundenkommunikation).

Vorteile der Methode

  • Ganzheitlicher Ansatz: Der Canvas bietet eine ganzheitliche Sicht auf die Unternehmenskultur. Sie ermöglicht es den Führungskräften und den Mitarbeitenden, die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen kulturellen Elementen zu erkennen. Individuelle Faktoren wie Werte, Symbole, Rituale und Vision vereinen sich zu einem Gesamtbild. 
  • Klarheit: Durch den Einsatz des Canvas können Organisationen ihre Kernwerte und ihren Zweck klären und ihre Mitarbeiter*innen auf eine gemeinsame Vision ausrichten.
  • Ausrichtung: Der Canvas hilft sicherzustellen, dass die gewünschte Kultur mit den Zielen und der Strategie der Organisation übereinstimmt, und fördert so Einheit und Kohärenz.
  • Mitarbeiterengagement: Eine gut gestaltete Kultur wirkt sich positiv auf das Engagement der Mitarbeiter*innen, die Arbeitszufriedenheit und die Mitarbeiterbindung aus.
  • Innovation und Kreativität: Eine positive Kultur fördert Innovation, Kreativität und offene Kommunikation, was zu einer verbesserten Problemlösungsfähigkeit führt.

Nachteile der Methode

  • Vereinfachung: Wie bei jedem Raster besteht die Gefahr einer zu starken Vereinfachung komplexer kultureller Dynamiken, die möglicherweise nicht die gesamte Komplexität der Kultur einer Organisation erfassen.
  • Herausforderungen bei der Umsetzung: Die erfolgreiche Veränderung oder Anpassung der Kultur einer Organisation ist ein langfristiger Prozess, der Engagement und Aufwand erfordert.
  • Subjektivität: Kulturelle Bewertungen können durch subjektive Interpretationen und Vorurteile beeinflusst werden, was zu ungenauen Schlussfolgerungen führen kann. 
  • Fehlen von universellen Lösungen: Die Kultur ist für jede Organisation einzigartig, und es gibt keine Einheitslösungen, was die Anwendung standardisierter Ansätze schwierig macht.
  • Ohne Offenheit kein Erfolg: Die Nutzung des Culture Design Canvas setzt Offenheit von Führungskräften und Mitarbeitenden voraus – ist diese nicht vorhanden, ist das Risiko des Scheiterns des Prozesses hoch.

Vorgehen: Tipps zum Einsatz des Culture Design Canvas

  1. Diverse Teams:
    Der Culture Design Canvas soll offene Diskussionen anregen und unterschiedliche Perspektiven zusammenbringen. Deshalb ist es oft sinnvoll, Workshops nicht bevorzugt mit Teams zu organisieren, die ohnehin eng zusammenarbeiten, sondern Mitarbeitende aus unterschiedlichen Teams und Hierarchiestufen zusammenzubringen.
  2. Moderation:
    Es sollte auf jeden Fall eine Moderationsrolle festgelegt werden, die durch den Prozess führt, Zeitmanagement verantwortet und Beteiligung sicherstellt. Diese Rolle sollte nicht oben in der Hierarchie angesiedelt sein – oft entscheiden sich Unternehmen bewusst für eine externe Moderation.
  3. Beteiligung ermöglichen:
    Wie in allen Workshops sollte die Moderation Gruppendynamiken antizipieren und z.B. verhindern, dass besonders extrovertierte Personen oder hierarchisch höher stehende die Diskussion dominieren. Ein kleiner Trick, dies zu verhindern: Nicht gleich in Diskussionen einsteigen. Beim „stillen Brainstorming“ schreiben Teilnehmende ihre Ideen oder Fragen auf Post-its, sodass sich alle einbringen können und keine Ideen untergehen. Dies kann bei Bedarf auch anonym durchgeführt werden. 
  4. Setting:
    Mit dem Culture Design Canvas lässt sich in Präsenz ebenso gut wie online oder hybrid arbeiten. Für die beiden letzten Settings bieten sich digitale Whiteboards wie Mural, Sessionlab oder Miro an, die bereits fertige Culture Design Canvases anbieten oder in die selbst entwickelte Versionen des Canvas hochgeladen werden können. 
  5. Nächste Schritte:
    In jedem Fall sollte in einem Workshop erarbeitet werden, welche Schritte einfach umgesetzt werden können, damit die Unternehmenskultur so weiterentwickelt werden kann, wie es sich das Team wünscht. Arbeiten in einem größeren mittelständischen Betrieb mehrere Teams in separaten Workshops mit dem Culture Design Canvas, ist es sinnvoll, vorher Ergebnisse zusammenzufassen und dann beispielsweise transparente Abstimmungsmechanismen zur Priorisierung möglicher Maßnahmen einzuführen.
  6. Follow-ups:
    Eine einmalige Beschäftigung mit einem längerfristigen Weg funktioniert nicht und ist nicht glaubwürdig. Stellen Sie einen klaren Fahrplan auf, um das Thema wieder aufzugreifen, Fortschritte zu würdigen, Schwierigkeiten zu thematisieren und gemeinsam Lösungen zu entwickeln.

Doch was könnten nun konkrete Ergebnisse sein, wenn ein Unternehmen den Culture Design Canvas angewandt hat? Nach unserer Erfahrung empfiehlt sich, bei der Planung eines Workshops mit dem Canvans von vornherein eine möglichst konkrete Fragestellung in den Mittelpunkt zu stellen und dann gemeinsam zu bearbeiten.

Ein paar typische Beispiele als Anregung:

  • das Erarbeiten gemeinsamer Spielregeln, beispielsweise für effektivere Meetings oder die Nutzung eines neuen Kommunikationskanals (z.B. einer Mitarbeiter-App)
  • die Integration von Mitarbeitenden im Homeoffice in wichtige Prozesse,
  • neue Prozesse der Einarbeitung neuer Mitarbeiter*innen (Onboarding)

Fazit: Einordnung des Culture Design Canvas

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Culture Design Canvas ein wertvolles Instrument sein kann, das Organisationen dabei helfen kann, ihre Arbeitsplatzkultur zu verstehen, zu gestalten und zu verbessern. Arbeitsplatzkultur lässt sich dabei mit der einfachen Frage übersetzen: „Wie wollen wir mit etwas bzw. miteinander umgehen?“

Obwohl das Werkzeug mehrere Vorteile bietet, ist es wichtig, seine Anwendung mit einem klaren Verständnis für seine Grenzen und die einzigartige kulturelle Dynamik innerhalb jeder Organisation anzugehen. Denn klar ist: Allein der Einsatz eines solchen Werkzeugs ist eine Frage der Unternehmenskultur. Doch unsere Erfahrung zeigt: Gerade Unternehmen, die sonst kaum Erfahrung mit agilen Arbeitsweisen haben, erleben durch recht einfach einsetzbare Tools wie den Culture Design Canvas Aha-Momente und sehen darin einen einfach nutzbaren Hebel, um lange gewünschte Fortschritte bei der Unternehmenskultur zu erreichen.

Hier sehen Sie eine Variante des Culture Design Canvas, den das Mittelstand-Digital Zentrum Zukunftskultur übersetzt und leicht angepasst hat.

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Unsere Lesetipps zur Vertiefung 

Gustavo Razzetti: Culture Design Canvas: Eine ausführlichere Anleitung vom Erfinder des Werkzeugs.

Fearless Culture: How to build a high performing culture like Netflix does: In diesem Artikel wird gezeigt, wie Netflix seine Unternehmenskultur weiterentwickelt und dazu den Culture Design Canvas eingesetzt hat.

Liberating Structures: Hierbei handelt es sich um einen Methodenbaukasten, der darauf abzielt, dass Menschen besser in Workshops oder Besprechungen zusammenarbeiten, einfacher Entscheidungen treffen etc. Die englische Originalseite der Toolsammlung ist hier (Link: https://www.liberatingstructures.com/)

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